Die Sorge vor weiteren Angriffen auf Kopten wächst
War der blutige Anschlag von Alexandria nur der Anfang? Das BKA warnte bereits an Heiligabend vor Anschlägen auf Kopten. Das österreichische Innenministerium hat Kenntnis von einer Todesliste mit 150 Namen – und auch in Frankreich wird ermittelt. Islamische Geistliche in Saudi-Arabien verurteilten den Anschlag scharf.

Nach dem blutigen Anschlag auf Christen im ägyptischen Alexandria wächst auch in Deutschland, Österreich und Frankreich die Sorge vor islamistischen Attacken auf Kopten. Schon an Heiligabend hatte das Bundeskriminalamt die zuständigen Behörden über eine "allgemeine Anschlagsdrohung" im Internet gegen die koptische Kirche informiert, unter anderem auch in Deutschland. Das österreichische Innenministerium sprach von einer "Todesliste" mit insgesamt 150 Namen von Kopten aus verschiedenen Ländern, die bereits vor dem Anschlag von Alexandria auf einer Internetseite der Terrororganisation "Islamischer Staat Irak" veröffentlicht worden sei. Die Organisation wird in Verbindung mit Al-Kaida gebracht.

In Alexandria hatte in der Neujahrsnacht ein Selbstmordattentäter 21 Menschen mit in den Tod gerissen, als er sich vor der christlichen Kirche in die Luft sprengte. Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte am Montag an Ägyptens Präsident Husni Mubarak, solche Attentate künftig zu verhindern. In Frankreich nahm eine Anti-Terror-Einheit Ermittlungen wegen Drohungen gegen koptische Kirchen im Land auf, zudem wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. "Die Bedrohung ist sehr ernst zu nehmen", zitierte die Tageszeitung "Le Figaro" am Abend einen hohen Pariser Polizeivertreter.

Bewachung in Österreich und Frankreich, Ausschreitungen in Ägypten

In Deutschland leben etwa 6.000 koptische Christen, deren Bischof Anba Damian sich um die Sicherheit seiner Mitgläubigen sorgt. Im Bayerischen Rundfunk berichtete Damian von einem Plan, der im Internet im Umlauf sei. Demzufolge könnten Kopten in der Nacht zum 7. Januar Zielscheibe für neue terroristische Aktivitäten werden. In dieser Nacht erreichen die Weihnachtsfeiern von orthodoxen Christen ihren Höhepunkt. Die Weihnachtsfeiern werden in Deutschland unter Polizeischutz stattfinden.

Auch Österreichs Kopten stehen seit einigen Tagen unter besonderem Schutz, sagte der Sprecher des Innenministeriums in Wien, Rudolf Gollia. Auf der Internetseite der Terrororganisation "Islamischer Staat Irak" seien 15 in Österreich lebende Kopten genannt. Die Organisation sei bekannt, der österreichische Verfassungsschutz habe vor Weihnachten mit den Ermittlungen begonnen, sagte Gollia. Insgesamt listeten die Terroristen 150 Kopten aus verschiedenen Ländern auf. In Österreich leben nach Schätzungen mehr als 5.000 Kopten, in Frankreich etwa 45.000.

In Ägypten entlud sich die Wut der Christen in teilweise gewalttätigen Protesten. In Kairos Innenstadt wurden am Sonntagabend 39 Angehörige der Sicherheitskräfte und zwei Passanten verletzt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen bewarfen Demonstranten die Polizisten mit Steinen und Flaschen. Zuvor hatte es bereits in Alexandria und einem vorwiegend von Christen bewohnten Dorf in der oberägyptischen Provinz Assiut Proteste gegeben. Auch Anti-Mubarak-Parolen wurden gerufen. Am Montag entspannte sich die Lage.

Verbindung zum Attentat in Baghdad noch unklar

Unterdessen wurden weitere Ermittlungsergebnisse bekannt. Nach Augenzeugenberichten handelte es sich bei dem Attentäter um einen etwa 40 Jahre alten Mann ohne Bart. Er habe gegenüber der Kirche zusammen mit zwei anderen Männern in einem Auto gesessen. Aus dem Innenministerium hieß es, der Täter habe zunächst versucht, in die Kirche zu gelangen. Nachdem er die vor dem Gotteshaus postierten Polizisten sah, habe er seine Bombe jedoch davor gezündet. 21 Menschen starben, 97 wurden verletzt.

Die Bluttat, die von fanatischen Islamisten geplant worden sein soll, hatte international Empörung ausgelöst. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verlangte von seinem ägyptischen Kollegen Abul Gheit, alles zu tun, "um Christen und andere religiöse Gruppen gegen Übergriffe und Gewalt durch Extremisten zu schützen". Gheit sprach von einem "Anschlag auf das gesamte ägyptische Volk".

In einem Beileidsschreiben verurteilte die Kanzlerin den Anschlag in Alexandria "aufs Schärfste". Zugleich äußerte sie sich überzeugt, dass Ägyptens Staatschef Mubarak alles in seiner Macht Stehende tun werde, "um derartige Vorfälle in der Zukunft zu verhindern". Der Kardinal und Wiener Erzbischof Christoph Schönborn forderte Gläubige in aller Welt zu mehr Solidarität mit Christen im Nahen Osten auf.

Unklar ist noch, ob es eine Verbindung zu dem Blutbad in einer Kirche im Bagdad vom 31. Oktober 2010 gibt. Die damaligen Attentäter, die dem irakischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida zugerechnet werden, hatten erklärt, sie wollten "muslimische Schwestern" rächen, die von der koptischen Kirche in Ägypten "gefangen gehalten" würden.

"Der Islam ist nicht die Religion der Explosionen"

In den Niederlanden haben Muslime angesichts der Drohungen islamischer Terroristen gegen koptische Kirchen die Bewachung der Gotteshäuser angeboten. Sie wollten die Kopten "vor der Bedrohung durch Al-Kaida beschützen", erklärten die drei größten niederländischen Muslimorganisationen am Dienstag.

Das Angebot werde ernsthaft geprüft, sagte der Pastor der koptischen Kirche von Amsterdam. Die koptische Gemeinde sei dankbar dafür. Die Muslimverbände riefen Anhänger des Islam auf, Drohungen gegen Christen zu verurteilen: "Vor allem wir müssen das tun, denn Al-Kaida behauptet, im Namen des Islam zu handeln."

Auch der ranghöchste islamische Religionsgelehrte von Saudi-Arabien bezeichnete die Tat von Alexandria als Verbrechen, das nichts mit dem Islam zu tun habe. Die saudische Zeitung "Okaz" zitierte Scheich Abdulasis bin Abdullah al-Scheich mit den Worten: "Der Islam ist nicht die Religion der Explosionen, und er erlaubt es auch nicht, die Gebetsräume von Nicht-Muslimen anzugreifen." Der Mufti von Syrien, Scheich Ahmed Badr al-Din Hassun, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wer diesen Anschlag verübt hat, der kennt keine Religion und keinen Gott."

dpa