Addio la busta: Italien verbietet Plastiktüten
In Italien sind Plastiktüten seit Neujahr verboten. Nur noch Tüten aus biologisch abbaubarem Material sind erlaubt. Eine historische Entscheidung in einem Land, in dem statistisch jedes Jahr auf jeden Bürger rund 300 Tüten kamen.
03.01.2011
Von Katie Kahle

Die Bilder der Müll-geplagten süditalienischen Metropole Neapel gingen um die Welt. Und auf allen anklagenden Fotografien von Straßen und Gassen der Großstadt an den Füßen des Vesuvs waren sie zu sehen: Plastiktüten - aus denen der Unrat hervorquoll. Wer schon Ferien gemacht hat im Belpaese, wird sich ebenfalls an unschöne Müllhaufen an malerischen Stränden oder in einsamen Naturparks erinnern können. Doch seit dem ersten Januar sind die umweltverschmutzenden Plastiksäcke in Italien verboten.

Die Verbraucher reagierten am ersten Einkaufstag positiv. "Ich finde das super", erklärte Francesco Marras am Montag vor einem Supermarkt der Kette "Carrefour" in der Nähe des Vatikans. So täte man wenigstens ein bisschen was für die Umwelt. Er fühle sich so richtig "schwedisch"-vorbildlich. Seine Freundin Chiara stimmte ihm zwar zu, hat aber auch ihre Zweifel: "Es ist aber schon eine Umstellung. Man hat ja nicht immer seinen Beutel dabei".

Tatsächlich liebten die Italiener bisher ihre Plastiktüten. Von den Tabletten aus der Apotheke über Gemüse vom Markt bis hin zum Großeinkauf im Discountmarkt wurde alles in Plastik gehüllt nach Hause getragen. Die bereits im Haushaltsplan 2007 beschlossene und erst jetzt in Kraft getretene Umstellung auf Tüten aus biologisch abbaubarem Material wird im Land denn auch als historische Entscheidung gewertet.

Ein Viertel des Europa-Aufkommens

In Italien wurden bisher nach Schätzungen der Umweltschutzorganisation Legambiente pro Kopf durchschnittlich 300 Plastiktüten jährlich verbraucht. Das entspricht etwa 200.000 Tonnen und rund 20 Milliarden Tüten im Jahr - ein Viertel des gesamten europäischen Tüten-Konsums.

"Allein um die zu produzieren, wurden etwa 430 Tonnen Ölressourcen verheizt", schätzt ein Sprecher des italienischen Landwirtschaftsverbandes Coldiretti. Neben dem Energie-Verbrauch kritisieren die Verfechter der neuen Regelung wie etwa Italiens Umweltministerin Stefania Prestigiacomo die unselige Haltbarkeit der alten Tüten. So dauert es rund 400 Jahre, bevor die Plastikbeutel in ihre Bestandteile zerfallen. Als Abfallbeutel benutzt sorgten sie zudem in Müllverbrennungsanlagen für umweltschädliche Gase.

Nun dürfen die vor dem ersten Januar eingelagerten Restbestände von den Supermärkten nur noch verschenkt werden. Als Alternativ- Produkt sollen künftig neben wiederverwendbaren Stoffbeuteln oder Gummitaschen auch Tüten aus umweltfreundlichem "Bio-Plastik" angeboten werden, die sich schon nach wenigen Monaten vollständig auflösen.

4000 Beschäftigte in 100 Fabriken betroffen

"Die neuen 'Shopper' sind mehrfach verwendbar, halten Temperaturunterschiede von bis zu 50 Grad aus und sind ausreichend wasserbeständig, um auch bei Regen zu bestehen", erklärt Mario Malinconico, leitender Wissenschaftler am Institut für Chemie und Polimer-Technologie (ICTP) des nationalen Forschungsrats (Cnr). Erst nach sechs Monaten begännen die aus Stärke-Derivaten gewonnenen Tüten zu reißen: "Das ist wie bei Pizza - wenn sie alt wird, zerbröselt sie", so Malinconico.

Nur die Plastikindustrie stöhnt. Mit etwa 4000 Beschäftigten in rund 100 Fabriken konnte sie dem Mailänder Wirtschaftsblatt "Il sole 24 ore" zufolge bisher mit den umstrittenen Tüten einen Umsatz von rund 800 Millionen Euro pro Jahr verzeichnen. Allein die Umstellung der Maschinen auf die neuen Beutel koste schätzungsweise bis zu 50.000 Euro pro Anlage. Dies und eine absehbare zunehmende Umstellung der Verbraucher auf eigene Taschen - denn die neuen Tüten sind um 30-40 Prozent teurer - gefährde Arbeitsplätze, fürchten die Produzenten.

Medien zweifelten hingegen vor allem an der praktischen Umsetzung und Kontrolle, da jegliche Richtlinien fehlten. Mit Verboten sei es in Italien ohnehin immer so eine Sache. Doch beim Rauchverbot in öffentlichen Stätten, Restaurants und Bars hat es immerhin funktioniert.

dpa