Kirchenvertreter erneuern Kritik an Afghanistan-Einsatz
Spitzenvertreter der evangelischen Kirche haben zum Jahreswechsel ihre Kritik am Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan bekräftigt. "Es ist nicht besser geworden in Afghanistan, und niemand vermöchte zu sagen, wie es gut werden kann", sagte der sächsische Landesbischof Jochen Bohl in der Dresdner Frauenkirche.

Damit nahm Bohl Bezug auf die Predigt der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, vor genau einem Jahr in der Frauenkirche. Durch den Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" hatte sie eine gesellschaftliche Diskussion über den Afghanistan-Einsatz ausgelöst. Der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Bohl beklagte, dass die Zahl der Anschläge am Hindukusch nach wie vor hoch und die der Opfer gestiegen sei. Zugleich sei die Akzeptanz der internationalen Truppen gesunken, auch die der deutschen. Ferner sei "ganz unklar, was erreicht wurde und was davon bleiben wird", sagte er bei dem vom ZDF übertragenen Neujahrsgottesdienst.

Der mecklenburgische Landesbischof Andreas von Maltzahn erklärte, in Afghanistan sei gerade zu erleben, "wie wenig es die Probleme löst, die Freiheit am Hindukusch militärisch verteidigen zu wollen". Er bezeichnete es zudem als "alarmierend", dass Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erklärtermaßen "offen, ohne Verklemmung" über die Verknüpfung von Militärpolitik und Wirtschaftsinteressen diskutieren wolle. Es müsse in Deutschland dringend über die künftige Rolle der Bundeswehr debattiert werden, forderte Maltzahn am Samstag im Schweriner Dom.

"Wie ist dieser Einsatz zu rechtfertigen?"

Auch der Geistliche Vizepräsident des hannoverschen Landeskirchenamtes, Arend de Vries, mahnte weitere Diskussionen über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr an. Die von Käßmann vor einem Jahr angestoßene Debatte dürfe nicht verstummen. "Nach wie vor stellt sich die Frage, wie dieser Militäreinsatz zu rechtfertigen ist, wenn so wenig Fortschritt erkennbar ist, so wenig Frieden einkehrt, und der Vorrang der zivilen Hilfe vor dem Militäreinsatz nicht erkennbar ist."

Der pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit rief dazu auf, den "Kreislauf des Bösen" zu durchbrechen. Die westlichen Staaten dürften sich nicht die Denkweise der Taliban zu eigen machen. Das jüngste Selbstmordattentat im ägyptischen Alexandria mache deutlich, wie wichtig es wäre, unter muslimischen Gelehrten nach Verbündeten zu suchen, um den "Kampf der Kulturen" einzudämmen. Bei dem Attentat auf eine koptische Kirche kamen mindestens 21 Menschen ums Leben.

Desinteresse an Soldaten beklagt

Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann beklagte unterdessen ein Desinteresse der deutschen Bevölkerung am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Es sei dramatisch, wenn ein verwundet zurückkehrender Soldat sich etwa sagen lassen müsse, er hätte ja auch einen weniger gefährlichen Beruf lernen können, sagte Dutzmann am Sonntag dem Hörfunk-Sender NDR-Info. "Das ist dann schon bitter." Eine Ursache für das mangelnde Interesse sieht er darin, dass in Deutschland das Gefühl für eine militärische Bedrohung verloren gegangen sei. Es müsse vermittelt werden, was es bedeute, Verantwortung in anderen Teilen der Welt zu übernehmen. "Dieser Prozess ist nicht besonders weit entwickelt."

epd