TV-Tipp des Tages: "Glücksbringer" (ARD)
Agnes Wieland führt mit ihrem wesentlich jüngeren Mann trotz des Altersunterschieds eine harmonische Ehe. Doch dann erhält sie von ihrem Arzt eine niederschmetternde Diagnose.
30.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Glücksbringer", 7. Januar, 20.15 Uhr im Ersten

Das klingt auf den ersten Blick nicht sonderlich glaubwürdig, ist aber so wunderbar gespielt, dass man Agnes’ ehrenwerte Motive nie in Zweifel zieht. Christiane Hörbiger strahlt gleichzeitig Fragilität und große Stärke aus, eine Mischung, die eigentlich für junge Frauen charakteristisch ist. Nur deshalb akzeptiert man, dass die Besitzerin eines florierenden Wiener Schmuckgeschäfts aus der niederschmetternden Diagnose den Schluss zieht, ihrem Dasein ein Ende zu setzen: Obwohl sie ihr Leben lang Nichtraucherin war, beweisen die Röntgenbilder ihrer Lunge, dass sie Krebs hat.

Dieser Schicksalsschlag trifft eine Frau, die rundum glücklich ist: Seit vielen Jahren lebt Agnes mit Leo (Filip Peeters) zusammen. Der Goldschmied ist zwar deutlich jünger, aber das hat ihnen nie etwas ausgemacht. Nun will Agnes verhindern, dass Leo allzu lange um sie trauert; schließlich ist er jung genug, um ein neues Leben zu beginnen und eine Familie zu gründen. Durch Zufall lernt das Ehepaar die attraktive PR-Beraterin Vera (Muriel Baumeister) und ihren patenten Sohn (Simon Murzé) kennen. Der Junge ist aufgeweckt, freundlich und begeistert sich wie Leo für Modellrennwagen, seine Mutter entpuppt sich als Seelenverwandte, die Leos neuer Kollektion "Das Licht der Sterne" bei der öffentlichen Präsentation einen großartigen Rahmen verleiht und wie er Motorrad fährt. Die drei sind tatsächlich wie für einander geschaffen, und Vera entwickelt unübersehbar Gefühle für Leo; aber der macht keinerlei Anstalten, sich auf den Frauentausch einzulassen, zumal Agnes ihm kein Sterbenswörtchen von der lebensbedrohlichen Krankheit erzählt hat.

Das Drehbuch stammt von Werner Sallmaier, aber der Film steht und fällt natürlich mit der Dreierkonstellation. Regisseur Jörg Grünler versteht es, gleich zwei überzeugende Paare zu erschaffen, was nicht zuletzt das Verdienst des Belgiers Peeters ist, denn der spielt seine Szenen mit beiden Partnerinnen ganz großartig. Auch der junge Simon Morzé ist ausgezeichnet geführt. Und dann gibt es noch einen weiteren Mitwirkenden, der die Geschichte mehr als bloß abrundet, zumal sich der große Erwin Steinhauer nicht zu schade für die vergleichsweise kleine Rolle war: Agnes hat ihre Mutter in die Pläne eingeweiht. Die alte Dame lebt in einem Seniorenheim und hat sich längst aus dieser Welt verabschiedet, so dass Agnes’ Erzählungen wie ein innerer Monolog wirken. Durch Zufall hat Caféhauskellner Kurt zugehört, sein Vater wohnt im Nebenzimmer; und selbstredend nimmt er nicht nur Anteil an Agnes’ Schicksal, sondern auch entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Geschichte.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).