TV-Tipp des Tages: "Klarer Fall für Bär" (ZDF)
Richard Bär ist ein Münchener Star-Anwalt, dessen Lebensfaden seit dem Unfalltod seiner Frau gerissen ist. Er zieht sich in sein altes Boothaus auf dem Land zurück.
30.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Klarer Fall für Bär", 6. Januar, 20.15 Uhr im Zweiten

Der Titel ist Unfug, denn der Fall ist naturgemäß alles andere als klar; sonst gäbe es ja keinen Grund, eine neunzig Minuten lange Geschichte zu erzählen. Aber dafür ist die Titelfigur um so interessanter: Richard Bär ist ein Münchener Star-Anwalt, dessen Lebensfaden seit dem Unfalltod seiner Frau gerissen ist. Er zieht sich in sein altes Boothaus auf dem Land zurück, wird aber nun prompt auf Schritt und Tritt mit seiner Vergangenheit konfrontiert; und zu der gehört vor allem sein ebenfalls verwitweter Vater Walter. Der Dorfpolizist hat den allerdings schon viele Jahre zurückliegenden Tod von Richards Mutter nie verwunden.

Schon allein diese Ausgangslage ist hochinteressant, weil mit Hans Sigl und Konstantin Wecker zwei ausgeprägte und auch physisch sehr präsente Persönlichkeiten aufeinander treffen. Das Zusammenspiel der beiden birgt großes Potenzial, zumal sich bei Vater und Sohn Sympathie und Antipathie die Waage halten. Walter Bär hat zum Beispiel ein unübersehbares Alkoholproblem, während Richard dem Familiennamen nicht nur körperlich alle Ehre macht; der Schicksalsschlag hat beim Top-Anwalt zu einem gewissen Phlegma geführt, das ihn in Kombination mit einer ebenso nachvollziehbaren Unleidlichkeit zu einem nicht eben pflegeleichten Zeitgenossen macht. Geschickt lässt Autor Nils Willbrandt die biografischen Informationen in homöopathischen Dosen in die Geschichte einfließen, was dem Film eine ganz eigene Spannung gibt.

Und dann ist da noch die eigentliche Handlung. Kaum ausgestiegen, muss Bär schon wieder als Anwalt ran: Sein Vater hat die junge Anne (Henriette Richter-Röhl) allem Anschein nach in flagranti bei einem Mord erwischt. Der Tote ist ausgerechnet ihr Geliebter. Rasch findet Bär raus, dass die beiden eine Romeo-und-Julia-Liebe verbunden hat: Jonas’ Vater (Friedrich von Thun) und Annes Mutter (Johanna Gastdorf) sind einander seit zwanzig Jahren in inniger Feindschaft zugetan. Erst im Verlauf des Prozesses aber tritt die ganze Tragweite dieser unglückseligen Liaison zu Tage.

Die Idee zur Hauptfigur hatte Sigl selbst, der ein großer Fan der US-Serie "Petrocelli" ist und dem "Bergdoktor"-Produzenten Matthias Walther das Rollenbild des ermittelnden Anwalts ans Herz gelegt hat. Der von Dirk Pientka (auch er vom "Bergdoktor"-Team) inszenierte Film belegt, wie gut der Riecher aller Beteiligten war: Das Konzept geht auf. Ob es Fortsetzungen geben wird, hängt nicht zuletzt vom Publikumszuspruch ab.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).