Aber das ansprechen – wie soll das gehen? "Pflege war ein Tabu in dieser Familie, noch größer als der Tod", resümierte einer, der - auch weit weg vom Elternhaus lebend – plötzlich nach dem Herzinfarkt der Mutter vor der Frage stand: "Wohin mit Vater?" Als Journalist hat er (anonym) über die Suche nach einer Pflegelösung für den gelähmten Vater ein Buch geschrieben, das für das ZDF verfilmt wurde. Nur die Beerdigung hatten seine Eltern minutiös geplant, bis hin zur Vorsuppe beim Leichenschmaus. Aber über Tod und Gebrechlichkeit sprechen?
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"Mit größter Befangenheit, ja fast mit belegten Stimmen hatten die Eltern das Thema drei – oder viermal angeschnitten – um es dann gern und schnell wieder zu verlassen. Wozu allerdings auch die Kinder jedes Mal beitrugen. Für solche Gespräche sei noch Zeit, ein andermal gerne, aber heute nicht, man möge doch den schönen Abend nicht mit einem Trauerthema verderben. Den Eltern war das recht und das hässliche Thema bald gewechselt." Es gab keine Vorbilder für Pflege. "Der Sohn hatte nicht insistiert, ... er wählte den bequemen Weg" - der im Nachhinein dramatische Konsequenzen hatte: ein verzweifeltes Umherirren im "Pflegesystem", bis die gute Fee in Gestalt einer osteuropäischen Krankenschwester hereinschneite.
Also, wie soll das gehen, Aufschluss über die bedrängende "Was wird, wenn..."-Frage zu gewinnen?
Nicht mit der Tür ins Haus fallen
Martin Moritz, Pflegeberater und Gründer der Hamburger Angehörigenschule, kennt diese Unsicherheit. Er warnt davor, mit der Tür ins Haus zu fallen: "Das Thema Pflege berührt ganz existenzielle Fragen. Wer sich in seinem Selbstbewusstsein und seiner Selbstbestimmung angegriffen oder eingeschränkt fühlt, der wird sich eher zur Wehr setzen und keine Hilfe zulassen." So hat es auch der anonyme Sohn aus dem Film erlebt. Ratschläge riefen "Aufruhr und Empörung" hervor.
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Martin Moritz rät, sich erst einmal klar zu machen, wer für die Eltern wirklich eine Person des Vertrauens sei: "Manchmal sind es ja gar nicht in erster Linie die Kinder, sondern deren Nachbarn oder Freunde." Es könne sinnvoll sein, erst mit ihnen über die Sorgen zu sprechen. Dazu lassen sich gerade bei Besuchen an den Feiertagen Anknüpfungspunkte finden. Oder wenn Verwandte oder Bekannte "nicht mehr raus können" oder "im Heim" sind. "Hilfreich ist, wenn man einen ähnlichen Fall kennt und erst einmal über diesen spricht. Das fällt allen leichter und man kann heraushören, wie die Eltern dazu stehen", rät der Pflegeberater. Man kann anbieten, die Eltern zu einem Besuch ins Heim zu begleiten oder die Person abzuholen zu einer festlichen Kaffeerunde wie zu alten Zeiten.
Ein weiterer Tipp von Martin Moritz: "Nicht gleich über 'Pflege' sprechen. In den meisten Fällen geht es am Anfang eher um etwas Hilfe im Haushalt." Und wenn bereits ein Elternteil etwa dem anderen beim Waschen oder Anziehen hilft, so sollte man erst mit dem oder der Pflegenden einzeln sprechen, um etwas über den Bedarf zu erfahren. Dazu sollte man sich selbst über Hilfen informieren. Die Einstufung in die Pflegestufe 1 bringt monatlich 225 Euro Pflegegeld, was zum Beispiel für eine Putzhilfe ausgegeben werden kann. Oder jemand Bekanntem als Aufwandsentschädigung für die Hilfe zugesteckt werden. Kann der Sohn der besten Freundin der Mutter, der sonst anderswo jobbt, nicht beim schweren Einkauf helfen?
Beratung, Information und die eigene Rolle
Der erste Schritt ist, sich selbst zu informieren. Am besten gleich im Internet die entsprechenden Infobroschüren der Krankenkasse der Eltern bestellen. Oder sich den Ratgeber des Bundesgesundheitsministeriums auf den Laptop ziehen und unterwegs im Zug lesen. "Man kann auch den Kontakt zu einem Pflegeberater herstellen, der als neutraler Berater ins Haus kommt. Diese findet man etwa in Pflegestützpunkten oder Beratungseinrichtungen wie der Hamburger Angehörigenschule", weiß Martin Moritz: "Grundsätzlich muss man sagen, dass es kein Patentrezept gibt."
Ein wichtiger Aspekt dabei ist die eigene Rolle. Im Film "Wohin mit Vater" fehlt die Selbstbeobachtung des Sohnes aus dem Buch, wieso er im Elternhaus die Souveränität und Weitsicht verliert und wieder zum Kind wird, "empfindlich, ängstlich". Dabei sind diese inneren Konflikte spannender als die zusätzlichen Love-Stories, welche in das Filmdrehbuch eingemixt waren. Wenn zu Weihnachten bei den Eltern alle Jahre wieder eine "Bescherung" gefeiert wird, lädt dies direkt dazu ein, in die alten Rollen zurück zu kehren.
Was kann man also wirklich auf dem Sofa unterm Tannenbaum in Bezug auf das heikle Thema erreichen? Mit Informationen im Hinterkopf beobachten, Verbündete finden und fest einen weiteren Besuch vereinbaren. Aktiv werden, aber nichts erzwingen.