Die zehn besten Gründe gegen Böller und Raketen
Zugegeben: Es macht Spaß, Silvesterraketen zu zünden. Und doch gibt es viele gute Argumente, darauf zu verzichten. Evangelisch.de hat die zehn besten Gründe gegen Böller gesammelt.
29.12.2010
Von Henrik Schmitz

1. Die Ästhetik

Frei verkäufliche Silvesterraketen haben aus Sicherheitsgründen eine begrenzte "Feuerkraft". Sie fliegen mit bis zu 90 Metern bei weitem nicht so hoch wie die professionellen Raketen eines sogenannten Höhenfeuerwerks, das bis zu 450 Meter erreicht, und haben bei weitem nicht dieselbe Leuchtkraft. Professionelle Feuerwerke werden von Fachleuten regelrecht komponiert und beeindrucken durch ihre Lichteffekte. Jeder kennt das "Ahhh" und "Ohhh", das durch die Zuschauermengen geht, wenn bei Stadtfesten oder großen Sportveranstaltungen Höhenfeuerwerke abgeschossen werden. Die Privatfeuerwerke können da in keiner Weise mithalten. Nicht die Masse macht die Ästhetik aus, sondern die Qualität. Nach wenigen Minuten ist an Silvester die Luft ohnehin so verraucht, dass die Sicht auf die Raketen aus der Nachbarsiedlung selbst von einer Dachterrasse aus schnell vernebelt ist. In einigen Städten gibt es daher – oft von örtlichen Unternehmen gesponsert – professionelle Großfeuerwerke, die wesentlich überzeugender sind als der private Feuerzauber.

2. Das Gehör

Nicht Discolärm ist für die Hörschäden vieler Jugendlicher verantwortlich, sondern die von Böllern verursachten Knalle, hat der Giessener Hörforscher Gerald Fleischer schon vor Jahren herausgefunden. Für seine Forschung untersuchte er unter anderem die Piloten alter Militärmaschinen, die stetigen Dauerlärm ausgesetzt waren aber dennoch über ein gutes Gehör verfügten. Ganz anders als die Bewohner abgelegener chinesischer Dörfer, in denen stete Ruhe herrscht – außer an Silvester, wo man es kräftig krachen lässt. Viele Menschen dort sind beinahe taub. Der Knall eines Silvesterböllers kann also in einer tausendstel Sekunde einen lebenslangen Hörschaden verursachen, den man sich sonst auch durch jahrelange Disco-Besuche nicht einhandelt.

3. Die Finger

Sicherheit wird bei Silvesterraketen groß geschrieben. Das Bundesamt für Materialprüfung vergibt das CE-Prüfzeichen. Nur Böller und Raketen, die dieses Siegel tragen, gelten als sicher. Leider schaffen es aber in jedem Jahr auch ungeprüfte oder gefälschte Feuerwerkskörper nach Deutschland, zum Teil mit verheerenden Folgen. Abgesprengte Gliedmaßen durch unsachgemäßen Gebrauch von Feuerwerkskörpern gehören fast immer zu den Neujahrs-Horromeldungen der Nachrichtenagenturen.

4. Muschi und Waldi

Katzen und Hunde haben ein wesentlich feineres Gehör als wir Menschen. Die Silversterkracherei kann somit für sie regelrecht schmerzhaft laut sein. Zwar können Hunde durchaus dazu trainiert werden, Silversterlärm zu tolerieren, aber viele Vierbeiner verkriechen sich in der Silvesternacht unterm Sofa oder unterm Teppich. Sie leiden.

5. Amsel, Drossel, Fink und Star

Auch für Wildtiere ist Silvester mit erheblichem Stress verbunden. Der Stress, dem Vögel und Wildtiere ausgesetzt sind, zerrt an den ohnehin schon knapp bemessenen Energiereserven im Winter. Immer wieder kommt es auch zu Unfällen mit Wildtieren, die durch den Lärm aus dem Schlaf gerissen werden und über die Straßen rennen.

6. Die Produktionsbedingungen

Viele Feuerwerkskörper nicht in Deutschland oder anderen europäischen Ländern, sondern in China oder Indien produziert und landen über Importeure im deutschen Handel. Die Arbeitsbedingungen in der Produktion etwa in der indischen Region Sikavasi gelten als prekär. Vor allem Frauen und Kinder arbeiten in der Herstellung der Feuerwerkskörper. Aufgrund des Kontakts mit chemischen Stoffen leiden viele Arbeiter an Asthma oder Tuberkulose. Auch Unfälle bei der Produktion sind in der Tagesordnung.

7. Feinstaub

Wenn im Sommer alte Autos nicht mehr in die Innenstädte dürfen und Straßen mit Sprinklern bewässert werden, ist der Feinstaub wieder buchstäblich in aller Munde. Dabei ist Feinstaub ein absolutes Neujahrsthema. In der ersten Stunde nach dem Jahreswechsel sind dem Umweltbundesamt zufolge bis zu 4.000 Mikrogramm Feinstaub in einem Kubikmeter Luft enthalten. In den Großstädten werden im Jahresdurchschnitt nur 30 bis 40 Mikrogramm täglich gemessen. Der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter darf pro Jahr und Stadt nur 35 mal überschritten werden.

8. Müll

Anders als viele denken, hält sich der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 durch Silvesterraketen und Böller in Grenzen. Die Daten einer Untersuchung der 3C Consulting aus dem Jahr 2007 stammen zwar aus dem Jahr 2002, aber viel mehr als rund 2.500 Tonnen Kohlendioxid werden wohl auch aktuell in Deutschland nicht durch Feuerwerkskörper in die Luft geblasen. Das ist nicht mehr als 50 Autos bei einer Fahrt von München nach Berlin produzieren, also vergleichsweise wenig. Viel dramatischer sind aber die produzierten Müllmengen. Rund zehntausend Tonnen Müll landen auf Straßen und Wiesen und müssen umständlich entsorgt werden. Gerade bei dem vielen Schnee auf der Straße dauert es zum Teil Wochen und Monate, bis der Dreck entsorgt ist. Und nach nur drei Tagen im Schnee ist ein matschiger Chinaböller D von einem Hundeshaufen kaum zu unterscheiden.

9. Sachschäden

Verbrannte Autos, brennende Wohnungen: rund 31 Millionen Euro zahlen deutsche Versicherer laut Versicherungswirtschaft jährlich für Schäden, die durch Feuerwerkskörper und – zugegeben! – auch brennende Adventskränze entstehen. Geld, dass letztlich die Versicherten durch ihre Beiträge aufbringen müssen. Wer nicht versichert ist, hat ohnehin Pech gehabt und zahlt selbst. Allein mit diesem Geld ließe sich ganz im Sinne der Aktion "Brot statt Böller" viel Sinnvolles anstellen.

10. Das liebe Geld

Der Feuerzauber ist kurz und äußerst vergänglich. Er ist aber auch teuer. Wie gesagt: 110 Millionen Euro geben die Deutschen für Raketen und Kracher aus. Das ist viel Geld, dass sinnvoller eingesetzt werden könnte. Während die Deutschen auf das neue Jahr anstoßen, hungern weltweit 925 Millionen Menschen. Die Aktion "Brot für die Welt" bietet deshalb eine Feuerwerks-App für das iPhone an. Für 2,99 bekommt man ein Profifeuerwerk auf das Handy geschickt, der Erlös kommt Bedürftigen zugute.


Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de