Und jährlich grüßt der Butler: "Dinner for one"
"Dinner for one" ist Kult, Silvester-Kult. Nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz oder in Österreich gehört der Sketch fest zum Jahresabschluss. Dabei geht es in dem britischen Klassiker gar nicht um Silvester, sondern schlicht um einen Geburtstag.
29.12.2010
Von Patrick T. Neumann

Jedes Jahr das Gleiche - und trotzdem immer wieder schön: "Dinner for one", der 18-Minuten-Sketch der britischen Komiker Freddie Frinton und May Warden, begeistert seit fast 40 Jahren am letzten Tag des Jahres Millionen Fernsehzuschauer in Deutschland. Er ist das TV-Silvester-Ereignis Nummer eins - dabei hat er mit Silvester genauso viel zu tun wie Brot mit Böllern.

Es geht nämlich um ein anderes jährlich wiederkehrendes Ereignis: den Geburtstag der etwas altersverwirrten Miss Sophie - in diesem Fall ist es der 90. Ehrentag. Da alle Freunde der alten Dame bereits gestorben sind, sitzt sie allein an der langen Tafel, Butler James bedient nicht nur, sondern mimt auch die vier geladenen Gäste - inklusive des Genusses von reichlich Alkohol...

1972 wurde der Silvester-Kult geboren

Doch warum ist "Dinner for one oder Der 90. Geburtstag" - so der Lang-Titel - dann Silvester-Kult? So richtig erklären kann das auch der verantwortliche Norddeutsche Rundfunk (NDR) nicht. Fakt ist: Das Komikerpaar Frinton und Warden tourte seit 1948 mit dem Sketch durch Großbritannien, im deutschen Fernsehen traten beide erstmals 1961 auf - in der Sendung "Lassen Sie sich unterhalten" mit Evelyn Künneke. Doch da es davon keine Aufzeichnung gibt, wurde dieser Auftritt schnell vergessen.

So gilt Peter Frankenfeld als deutscher Entdecker von "Dinner for one": 1962 hatte er zusammen mit Regisseur Heinz Dunkhase den Sketch im englischen Seebad Blackpool gesehen und für seine Sendung "Guten Abend, Peter Frankenfeld" verpflichtet, wie es vom NDR heißt. Dort lief der Sketch am 8. März 1963, was gemeinhin als Geburtsstunde des "Dinner for one" im deutschen Fernsehen gilt.

Der Erfolg beim Publikum war überwältigend. Also produzierte der NDR kurze Zeit später eine Fernsehfassung des Sketches in Hamburg - die heutige Version. Sie wurde hin und wieder als Pausenfüller im noch nicht allzu prallen ARD- und NDR-Programm gezeigt. Der damalige NDR-Unterhaltungschef Henri Regnier soll dann 1972 auf die Idee gekommen sein, den Sketch zu Silvester zu senden - der Kult war geboren. Die höchste Zuschauerzahl soll es 2003 gegeben haben: 13 Millionen Menschen schauten damals insgesamt bei den verschiedenen Ausstrahlungen zu, wie es vom NDR heißt.

"The same procedure as last year, Miss Sophie?"

Mittlerweile lief der Sketch mehr als 240 Mal im deutschen Fernsehen, keine andere Sendung kommt auf so viele Wiederholungen - allein am Freitag gibt es zehn Ausstrahlungen über alle Dritten Programme der ARD verteilt, darunter einige nachkoloriert, also in Farbe.

Außerdem haben etliche Sender regionale Fassungen nachgedreht: Es gibt eine Schweizer Version (beim WDR zu sehen), einen plattdeutschen Sketch (NDR) sowie eine hessische und in diesem Jahr erstmals auch eine nordhessische Dialekt-Version (beide HR), außerdem noch Parodien aus dem Ruhrpott ("Dinner vor Wan(ne)", WDR) und Mainz ("Spass aus Mainz "Dinner for one"", SWR) sowie einige Dokumentationen. Fans in mehr als 20 Ländern, in die der NDR "Dinnerforone" verkaufen konnte, kochen jährlich das Menü nach.

2011 kommt der Sketch auch als Kammeroper auf die Bühne: Die Sächsische Staatsoper will das Stück am 5. März uraufführen - Komponist Martin Hecker orientiert sich dabei aber nicht nur am Original, sondern will in einer Ouvertüre auch die Geburtstagsgäste von Miss Sophie zu Lebzeiten vorstellen.

Die beiden Hauptfiguren haben von all dem nichts mehr mitbekommen: Freddie Frinton, der nach den Schrecknissen des Zweiten Weltkriegs selbst nicht viel von den Deutschen hielt, starb bereits 1968, seine Sketchpartnerin zehn Jahre später. Und in ihrem Heimatland Großbritannien ist der legendäre Satz des Butlers James, "The same procedure as last year, Miss Sophie?" (Dieselbe Prozedur wie letztes Jahr, Miss Sophie?), ohnehin weitgehend unbekannt.

dpa