Robert Zollitsch: "Terrorängste nicht ausbeuten"
Die katholische Kirche in Deutschland will sich stärker um einen Dialog mit hier lebenden Muslimen bemühen. Die Kirche suche das Gespräch mit muslimischen Gruppen und Organisationen, um ein friedliches Miteinander zu ermöglichen. Das sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
28.12.2010
Die Fragen stellte Jürgen Ruf

Halten Sie es für angebracht, öffentlich in Deutschland vor Terroranschlägen zu warnen?

Robert Zollitsch: Die Regierung muss hier eine schwierige Balance halten: Einerseits haben die Bürger ein Recht, über die aktuelle Gefahrenlage informiert zu werden. Und manchmal kann es zur Abwehr von terroristischen Gefahren auch hilfreich sein, wenn die Bürger zu vermehrter Aufmerksamkeit aufgerufen sind. Andererseits soll kein Alarmismus erzeugt werden. Die Menschen dürfen nicht in Panik- Stimmung versetzt werden. Mein Eindruck ist, dass sich die deutsche Regierung um eine angemessene Informationspolitik gegenüber der Bevölkerung bemüht.

Sehen Sie das Zusammenleben von Christen und Muslimen durch die Terrorwarnungen in irgendeiner Weise beeinträchtigt?

Zollitsch: Soweit ich dies übersehen kann, gibt es dafür bislang keine Anzeichen. Die hier lebenden Muslime sind von der terroristischen Bedrohung genauso betroffen wie alle anderen. Und sie haben das gleiche Interesse an einer effektiven und zugleich maßvollen staatlichen Politik wie die übrige Bevölkerung. Die Christen wiederum, aber auch die religiös nicht gebundenen Bürger unseres Landes, wissen sehr wohl zwischen Terroristen - egal welcher Ideologie sie folgen - und den hier ansässigen muslimischen Mitbürgern zu unterscheiden.

Sehen Sie dies auch für die Zukunft?

Zollitsch: Es kommt sehr darauf an, dass es politischen Aufwieglern nicht erlaubt wird, Ängste auszubeuten und die Menschen gegeneinander aufzubringen. Bislang hat unsere Gesellschaft hier eine gute Widerstandsfähigkeit gezeigt. Daran muss weiter gearbeitet werden.

Was ist nötig, um das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslimen zu befördern?

Zollitsch: Nichts dient dem friedlichen Zusammenleben mehr als der selbstverständliche Umgang miteinander im Alltag - am Arbeitsplatz, in den Vereinen, in den Wohngebieten. Menschen verschiedenen Glaubens leben schlicht miteinander, ohne dass die religiöse Identität dabei stets eine bestimmende Rolle hätte.

Reicht dies aus?

Zollitsch: Es ist wünschenswert, dass die Christen gegenüber ihren muslimischen Mitbürgern sprachfähiger werden, wenn es um den eigenen Glauben geht. Im Übrigen sucht die Kirche auf allen Ebenen - von der Bischofskonferenz bis zu den Pfarrgemeinden - die Möglichkeit des Gesprächs mit den muslimischen Gruppen und Organisationen. Dies trägt dazu bei, Vorurteile, Vorbehalte und diffuse Ängste abzubauen.

dpa