Drei-Stufen-getestet: Die Medien, die Krise und das Internet
Drei-Stufen-Test, Nikolaus Brender und iPad: Auch im Medienjahr 2010 gab es wieder Aufregerthemen, über die in der Branche gesprochen wurde. Ein Rückblick.
28.12.2010
Von Ellen Nebel

Irgendwann platzte Peter Boudgoust der Kragen. "Unverhältnismäßig und einer seriösen Zeitung unwürdig", wetterte der ARD-Vorsitzende Ende Juli in einem offenen Brief ausgerechnet gegen die altehrwürdige "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Diese hatte einen Kommentar zum Onlineangebot des Senderverbundes veröffentlicht, in dem der ARD vorgeworfen wurde, "nichts anderes als einen totalen Machtanspruch, das Ende der freien Presse und die Herrschaft des Staatsjournalismus" zu verkünden.

Es war der öffentlich ausgetragene Höhepunkt eines Streits, den ARD und ZDF schon lange mit der privaten Medienwirtschaft führen. In diesem Jahr bekam auch der Gebührenzahler die Konsequenzen zu spüren.

Wer heute auf "sportschau.de" surft, der findet dort nur noch rund die Hälfte der Inhalte, die es früher gab. Insgesamt löschte die ARD mehr als eine Million Dokumente aus ihrem Internetbestand, beim ZDF verschwanden 80 Prozent. Kritiker beklagten, die digitale Öffentlichkeit sei der Inhalte beraubt worden, für die sie vorher Gebühren zahlte. Anderen ging das Löschen nicht weit genug.

Drei-Stufen-Test

Vor allem die Verlage und Privatsender kämpfen dafür, die gebührenfinanzierte Konkurrenz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Netz möglichst einzudämmen. Bereits im Juni 2009 schlug mit Inkrafttreten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags die Geburtsstunde des sogenannten Drei-Stufen-Tests, der neue Spielregeln für ARD und ZDF im Netz festlegte.

Das Verfahren sollte sicherstellen, dass die Internetangebote der öffentlich-rechlichen Sender den Wettbewerb nicht verzerren. Wie viel der Test, der in diesem August abgeschlossen wurde und zur massenhaften Löschung von Inhalten führte, kostete, ist nicht klar. Beim ZDF war von 750.000 Euro allein für externe Gutachten die Rede. Es gab schon ruhigere Jahre für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und auch die Aussichten lassen Turbulenzen erahnen.

Am 15. Dezember unterzeichneten die Ministerpräsidenten der Länder den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Damit steht fest: Die bisherige gerätebezogene Rundfunkgebühr wird bis zum Jahr 2013 umgestellt. Dann muss für jede Wohnung oder Betriebsstätte eine Gebühr entrichtet werden, unabhängig davon, ob ein Empfangsgerät vorhanden ist oder nicht. Die derzeitige Gebührenhöhe von 17,98 Euro soll nicht überschritten werden.

ZDF-Chefredakteur Brender muss gehen

Im Fall des ZDF kommt nun gar die staatsvertragliche Grundlage auf den Prüfstand. Die rheinland-pfälzische Landesregierung kündigte im Dezember an, gegen den ZDF-Staatsvertrag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu klagen. Die Richter sollen klären, ob die Gremien des ZDF zu stark von Vertretern der Politik und des Staates dominiert sind. Auslöser der Debatte war die umstrittene Absetzung des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender durch den CDU-dominierten Verwaltungsrat des Senders im November 2009.

Währenddessen erholen sich die Privatmedien von den Folgen der Wirtschaftskrise. Bei vielen Printverlagen weist die Kurve deutlich nach oben: Der Axel Springer Verlag steigerte seinen Umsatz in den ersten neun Monaten des Jahres um zehn Prozent. Gruner + Jahr kehrte im ersten Halbjahr 2010 in die Gewinnzone zurück und übertraf sogar das Ergebnis des Vorkrisenjahres 2008.

Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner gab die Parole aus: "Depression ist völlig unangebracht". Doch bei allen positiven Entwicklungen drückt die Verleger vor allem eine Sorge. Angesichts der vielfach beklagten "Kostenloskultur" im Netz ruhen ihre Hoffnungen auf sogenannten Tablet-PCs wie dem iPad von Apple: Kommen die Nachrichten im Gewand einer für diese Geräte programmierten App-Anwendung daher, sind die Nutzer offenbar bereit, dafür zu zahlen.

Leistungsschutzrecht

Außerdem setzen sich die Verlage für ein Leistungsschutzrecht ein, mit dem sie eine Abgabe für die kommerzielle Nutzung von journalistischen Online-Angeboten durchsetzen wollen. Netzaktivisten fürchten, dass es zu einer unübersichtlichen Rechtslage kommt, die die Freiheiten des Internets beschneidet. Nicht ausgeschlossen, dass auch 2011 dem Einen oder Anderen der Kragen platzt.

epd