Christen sind an Weihnachten keine Zuschauer
Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe und Solidarität sind die zentralen Themen der diesjährigen Weihnachtsbotschaften. "Gott will, dass Menschen nicht verloren gehen," sagte der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider. Der Freiburger Erzbischof Zollitsch rief den Menschen zu: "Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht."

Die höchsten Repräsentanten der Kirchen in Deutschland haben zum Weihnachtsfest zu Solidarität und Nächstenliebe aufgerufen. "Glaube, Hoffnung und Liebe sollen und können unser Leben bestimmen", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, betonte, Weihnachten sei mehr als ein Fest mit Tannenbaum und Geschenketausch. In seiner ersten Weihnachtsansprache als Staatsoberhaupt rief Bundespräsident Christian Wulff die Bürger zu gegenseitigem Respekt auf.

Der rheinische Präses Schneider sagte am Freitag in seiner Heiligabend-Predigt in der Düsseldorfer Johanneskirche: "Finsternis, Kälte, Lieblosigkeit, Hass und Gewalt behalten nicht das letzte Wort." Das Licht Jesus breche auch in die Dunkelheiten des Lebens hinein. "Gott will, dass Menschen nicht verloren gehen", sagte der 63-jährige Theologe, der Anfang November zum obersten Repräsentanten von rund 24 Millionen Protestanten in Deutschland gewählt worden war. Alle menschliche Verlorenheit sei durch Jesus Christus "grundsätzlich und letztgültig überwunden".

Der Freiburger Erzbischof Zollitsch sagte in einer Videobotschaft: "Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht: Das ist die Botschaft von Weihnachten." Christen seien an Weihnachten nicht "Zuschauer eines idyllischen Festprogramms mit gutem Essen, Lichterglanz und Geschenketausch". Gott habe den Menschen mit Liebe beschenkt, die in Jesus Christus Mensch geworden sei. "Und diese Liebe dürfen wir anderen weiterschenken", sagte Zollitsch.

Gegen Krieg und Zerstörung

Der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge beklagte bei der Christvesper im Berliner Dom die Ausgrenzung von Armen und Flüchtlingen. Im Laufe dieses Jahres habe sich die Stimmung gegen Arbeitslose und Migranten nachweislich in Vorurteilen verfestigt. Zu dieser Entwicklung hätten unter anderem Diskussionen wie zum Beispiel über "spätrömische Dekadenz" im Sozialstaat und über eine Gesellschaft beigetragen, die sich vorgeblich abschaffe, weil sie zu sorglos Migranten integriere.

Kardinal Reinhard Marx forderte in der Christmette im Münchner Liebfrauendom den konsequenten Schutz menschlichen Lebens in der modernen Gesellschaft. An Weihnachten seien Gläubige aus aller Welt aufgerufen, sich gegen "Krieg und die Zerstörung der Schöpfung einzusetzen", sagte der katholische Erzbischof von München und Freising laut Redetext. Die Debatten um Klimawandel, Finanzkrise und bioethische Fragen müssten "zusammen angeschaut werden als Herausforderung für eine nachhaltige menschliche Kultur".

Bischof Franz-Josef Overbeck forderte in seiner Predigt im Essener Dom ein Verbot von Gentests an im Reagenzglas erzeugten Embryonen. "Mit der Präimplantationsdiagnostik begeben wir uns auf eine 'schiefe Ebene', die unweigerlich zur Selektion führen wird, die uns an die fatalste Vergangenheit in Deutschland erinnert", warnte der katholische Theologe in der laufenden Debatte um einen Gendiagnostik bei künstlichen Befruchtungen. Es drohe die Gefahr, "letztlich lebenswertes von lebensunwertem Leben selektiv unterscheiden zu wollen".

Wulff: Jeder gehört dazu und wird gebraucht

Bundespräsident Wulff sagte in seiner Weihnachtsansprache, in einer vielfältigen Gesellschaft müsse es Respekt geben, "vor dem, der anders ist als man selbst". Die Gesellschaft müsse von Zusammenhalt, Verständigung und "Miteinanderauskommen" geprägt sein. "Jeder muss spüren: Ich gehöre dazu, ich werde gebraucht", sagte der Bundespräsident. Die Ansprache wird am 25. Dezember um 19.08 Uhr im ZDF und um 20.10 Uhr in der ARD übertragen.

Wulff appellierte an die Bürger, sich ehrenamtlich zu engagieren. Der Staat könne zwar Menschen in Not finanziell unterstützen. Aber es brauche Menschen, "für die Menschlichkeit wichtig ist".

Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" rieft zum Weihnachtsfest zu maßvollem Konsum auf. "Unser Wohlstand geht zulasten anderer und der Umwelt", erklärte die Direktorin der Hilfsorganisation, Cornelia Füllkrug-Weitzel, in Stuttgart. Es sei ein Skandal, dass weltweit 925 Millionen Menschen hungern, obwohl auf der Erde genug Nahrungsmittel produziert würden.

In Deutschland würden täglich große Mengen Lebensmittel vernichtet, die nur auf dem Markt seien, um eine größere Vielfalt ähnlicher Produkte im Angebot zu haben, kritisierte die Theologin und forderte einen Bewusstseinswandel. Die Ausrichtung am ständig steigenden Wirtschaftswachstum müsse abgelöst werden durch eine Ökonomie des Genug. 

epd