Sollte am 30. September im Stuttgarter Schlossgarten ein Exempel statuiert werden, nachdem über Wochen die Gegner von Stuttgart 21 immer lauter und aufmüpfiger wurden und zu Zehntausenden auf die Straße gingen? Wollte sich Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) mit Blick auf die Landtagswahl am 27. März 2011 als "Law-and-Order-Mann" positionieren, hat er diese Wirkung zumindest in Kauf genommen? Vor allem: Gab es politische Vorgaben, in Stuttgart zum ersten Mal seit 40 Jahren Wasserwerfer gegen Demonstranten einzusetzen, wenn die ersten Bäume für das Milliarden- Bauvorhaben gefällt werden?
Grüne und SPD sehen all dies als erwiesen an. Aber ihre Vertreter im Untersuchungsausschuss des Landtags bringen am Mittwoch den als Zeugen geladenen Regierungschef nicht in Erklärungsnöte. Dabei hatte sich die Opposition von dem Untersuchungsausschuss auch erhofft, Punkte für den Wahlkampf zu sammeln. Schließlich wittern Grüne und SPD die Möglichkeit eines Regierungswechsels nach 57 Jahren CDU-Herrschaft, denn in den Umfragen liegen sie zusammen seit einigen Wochen deutlich vor Schwarz-Gelb. Und das harte Vorgehen der Beamten mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray auch gegen Schüler und alte Menschen hatte bis weit in die Reihen der CDU-Wähler für Entsetzen gesorgt.
Mappus: Nie in Polizei-Handeln eingegriffen
Aber Mappus zeigt sich vor dem Ausschuss nachdenklich und räumt ein, dass bei dem als Überraschungsaktion geplanten Polizeieinsatz einiges falsch lief. So waren sehr schnell mehr Demonstranten im Park als erwartet und die auswärtigen Beamten kamen zu spät. Und er äußert erneut sein Bedauern, dass viele Menschen verletzt wurden. Aber Mappus beteuert zugleich, dass er nie in das operative Handeln der Polizei eingreifen würde und dies auch nicht getan habe. Eine Besprechung mit der Polizeiführung in der Regierungszentrale einen Tag vor dem sogenannten "Schwarzen Donnerstag" habe lediglich dazu gedient, ihn zu informieren. Die Entscheidung für den Einsatz habe immer bei der Polizei gelegen.
Die Oppositionsfraktionen haben andererseits kein Dokument in der Hand, mit dem sich eine Anordnung von höchster Stelle zum harten Durchgreifen eindeutig belegen lässt. Aber klar ist: Der Einsatz wurde von vornherein als riskant eingestuft und die Polizei hatte große Probleme, zusätzliche Hundertschaften aus anderen Bundesländern zur Unterstützung zu bekommen.
Ob der Polizeieinsatz über Stuttgart hinaus als Wahlkampfthema taugt, scheint fraglich. Denn Mappus kann auf die Schlichtung verweisen. Diese hat den Konflikt - einem Vorschlag der Grünen folgend - unter Leitung von Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler wieder auf eine sachliche Ebene gebracht.
Regierungschef sucht neues Image
Der sonst eher robust auftretende Regierungschef arbeitet seit Wochen an einem integrativen und selbstkritischen Image. So räumt er vor dem Untersuchungsausschuss ein, dass die Politik in der Debatte über das Großprojekt zu lange den Kontakt zum Volk verloren hatte. Dies, so hofft er, hat sich durch den aufwendigen Schlichtungsprozess geändert. Mappus sieht sich durch Umfragen bestätigt, die einen deutlichen Meinungsumschwung zugunsten von Stuttgart 21 belegen.
Seine Gegner kaufen ihm das neue Image aber nicht ab. Sie verweisen auf den Milliarden-Deal, mit dem der 44-Jährige Anfang Dezember in einem Hauruck-Verfahren hinter dem Rücken des Parlaments die EnBW-Aktien des französischen Staatskonzerns EDF kaufte: Da habe der CDU-Politiker wieder sein wahres Gesicht gezeigt.