TV-Tipp des Tages: "Romy" (3sat)
Thorsten C. Fischers Biopic "Romy" ist eine gelungene Hommage an eine der bedeutendsten deutschen Schauspielerinnen: Romy Schneider. Der Film spürt dem Mythos nach.
22.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Romy", 25. Dezember, 20.15 Uhr auf 3sat

"Die Erinnerung ist das Schönste im Leben", legt Benedikt Röskau der Hauptfigur in den Mund, und da der Name des Autors ("Contergan") fast ein Synonym für akribische Recherche ist, hat Romy Schneider diesen Satz bestimmt auch in Wirklichkeit gesagt. Er ist charakteristisch für die Sichtweise des Films auf die Schauspielerin und wohl auch typisch für sie selbst, schließlich neigt der Mensch dazu, seine Erinnerungen zu manipulieren; tatsächlich gab es außer ihrem begnadeten Talent nicht viel, worum man Romy Schneider beneiden könnte.

Wie so viele Filme dieser Art bettet auch "Romy" das Leben des Weltstars in eine Rückblende: In der Rahmenhandlung wird Schneider 1981 mit akutem Nierenversagen in ein Pariser Krankenhaus eingeliefert. Die Klinik wird von Paparazzi regelrecht belagert; eine junge Krankenschwester soll freie Schussbahn herstellen oder vielleicht sogar selbst ein Foto machen. Aus den zunächst ungeordneten Erinnerungsbildern formt sich nach und nach ein Lebenslauf, der von zwei kaum zu vereinbarenden Sehnsüchten geprägt ist: dem Drang, sich aller Fesseln zu entledigen; und dem Traum von der glücklichen Familie. In Paris findet Romy die Freiheit, die sie meint, zunächst dank Alain Delon in persönlicher, später vor allem in künstlerischer Hinsicht. Faszinierend und erschütternd aber ist dieser Liebenslauf ja in erster Linie durch sein Scheitern. Kaum zu glauben, dass ein Mensch allein so viel Tragik erdulden musste; und kein Wunder, dass er irgendwann daran zerbrach.

Wäre Romy Schneider nicht so ein Mythos, könnte man bei der Verfilmung dieses Lebens im Grunde genommen kaum etwas falsch machen. Aber weil jeder sein eigenes Romy-Bild hat, drohte eine ähnliche Gefahr wie bei Literaturverfilmungen, die dem Vergleich mit der Vorlage auch selten stand halten. Fischer, Röskau und Kameramann Holly Fink haben daher einen völlig anderen Weg eingeschlagen: Sie haben Romy Schneider neu erfunden; genau genommen müsste der Film "Romy reloaded" heißen. Das Trio arbeitet zwar ähnlich wie beim Dokudrama mit biografischen Einschlüssen, doch die stammen keineswegs aus früheren Jahren. Allein dieser Ansatz ist fast schon genial: Unter den Erinnerungsfetzen sind immer wieder auch täuschend echt wirkende verwackelte und grobkörnige Super-8-Aufnahmen aus dem Privatleben oder von verschiedenen Dreharbeiten, doch sie sind ausnahmslos das Werk von Fink. Die Bilder der "César"-Verleihung wurde eigens mit zeitgenössischen Kameras gedreht. Technisch ist das derart gut gemacht, dass man den Unterschied kaum wahrnehmen würde, wenn die Szenen nicht allesamt Jessica Schwarz zeigen würden.

Mit der Hauptdarstellerin steht und fällt naturgemäß das gesamte Werk. Akzeptiert man sie als Romy Schneider, hat der Film gewonnen; müsste sie bis zum Schluss gegen das Romy-Bild in den Köpfen kämpfen, hätten beide, Film und Schauspielerin, keine Chance. Doch es kommt ganz anders: weil Schwarz, die nie eine Schauspielausbildung genossen hat, gar nicht erst versucht, Romy Schneider zu kopieren. Das Drehbuch wiederum baut darauf, dass viele Fakten aus dem Leben Romy Schneiders bekannt sind. Den Tod ihres Sohnes zum Beispiel inszeniert Fischer höchst lakonisch: Man sieht den Jungen vor dem Haus, dann den schmiedeisernen Gartenzaun mit seinen scharfen Spitzen, schließlich Kerzen und einen Teddybär auf dem Bürgersteig davor.

Bis auf wenige Szenen, in denen sie allzu deklamatorisch wirkt, macht Jessica Schwarz ihre Sache ganz ausgezeichnet. Gleiches gilt für den Rest des Ensembles (Maresa Hörbiger als Mutter Magda Schneider, Heinz Hoenig als Stiefvater Blatzheim), aus dem Thomas Kretschmann (als Harry Meyen) herausragt. Einzig Guillaume Delorme irritiert etwas, weil er keineswegs wie der junge Delon, sondern wie ein junger Sean Connery aussieht.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).