Weihnachtsgeschenk für Väter im Kampf um Kinder
Wieder einmal erteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland eine Lektion: Die Rechte von Vätern kommen hierzulande zu kurz. Nachdem das Gericht bereits das Sorgerecht unverheirateter Väter gestärkt hat, macht es jetzt biologischen Vätern Hoffnung.
22.12.2010
Von Petra Klingbeil

"Mein Mandant ist überglücklich", sagt Anwalt Rainer Schmid aus Nagold (Baden-Württemberg) nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. "Er hatte schon alle Hoffnung aufgegeben". Nach der Entscheidung der Straßburger Richter kann sein Mandant, ein 43-jähriger Nigerianer, jetzt auf ein erstes Treffen mit seinen Kindern hoffen - fünf Jahre alte Zwillingstöchter, die er bisher nie gesehen hat. Deutsche Gerichte hatten dem biologischen Vater das Recht auf Umgang mit seinen Kindern verwehrt.

Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt

Aus der Sicht der Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) wiegt das Recht von Vätern auf Umgang mit ihren Kindern schwer, schwerer jedenfalls als es in Deutschland gehandhabt wird. Schon im vergangenen Jahr hat der EGMR unverheirateten Vätern den Rücken gestärkt. Jetzt können sich auch biologische Väter freuen. "Die Straßburger Richter haben einen weiter gefassten Familienbegriff als deutsche Gerichte", sagt Anwalt Schmid.

Das Wohl der Kinder sei bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht ausreichend berücksichtigt worden, befanden die Richter in Straßburg. Dies sei eine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben. Sie sprachen dem Nigerianer, der seit 2008 in Spanien lebt, ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro zu. Sein Anwalt prüft jetzt ein neues Verfahren, um das Umgangsrecht zu erhalten.

Gegen das Urteil des EGMR kann innerhalb von drei Monaten Berufung beantragt werden. Doch angesichts der bisherigen Rechtsprechung in Straßburg sind deutsche Gerichte nach Ansicht von Experten gut beraten, diese Entscheidung zu berücksichtigen.

"Offener Umgang mit den Tatsachen"

"Wünschenswert wäre ein Passus im deutschen Recht, das einem leiblichen Vater grundsätzlich das Recht auf Kontakt zu seinen Kindern gewährt", sagt Schmid. Das deutsche Recht betont genau das Gegenteil: Kontakt nur dann, wenn auch eine sozial-familiäre Beziehung zu den Kindern besteht. In dieser Hinsicht hatte der Nigerianer denkbar schlechte Karten, da er seine Kinder nie gesehen hatte.

In der Tat sind die Familienbeziehungen in dem Fall kompliziert: Der Nigerianer war 2003 nach Deutschland gekommen, wo er in Achern (Baden-Württemberg) lebte. Zwei Jahre lang hatte er eine Beziehung zu einer verheirateten Frau, die mit ihrem Ehemann drei Kinder hat. Wenige Monate nach Ende dieser Beziehung brachte die Frau 2005 Zwillingstöchter von ihm zur Welt. Sein Asylantrag wurde im Februar 2006 abgelehnt. Rechtlicher Vater der Kinder ist der Ehemann. Alle Bitten des Nigerianers, seine Kinder kennenzulernen, hatte das Paar abgelehnt.

Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied im Sinn des Ehepaares: Der biologische Vater habe keinerlei Verantwortung für die Kinder getragen und erfülle nicht die Voraussetzungen, um als enge Bezugsperson zu gelten. Zugunsten des leiblichen Vaters hatte dagegen das Amtsgericht Baden-Baden 2006 geurteilt, dessen Urteil dann allerdings vom Oberlandesgericht aufgehoben wurde. Es hatte dem Mann Umgang mit seinen Kindern gewährt mit dem Argument, dass es für die Kinder wichtig sei, ihre Herkunft zu kennen. Für die anderen Kinder des Paares sah das Amtsgericht keine Nachteile. Ein "offener Umgang mit den Tatsachen" liege im Interesse aller Beteiligten.

dpa