TV-Tipp des Tages: "Zimtstern und Halbmond"
Wenn zwei Kulturen aufeinander prallen, ist das immer Stoff für einen Film. Diesmal steht der "Vater der Braut" im Mittelpunkt, dem der palästinensischen Freund der Tochter missfällt.
17.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Zimtstern und Halbmond" , Freitag, 17.12., 20.15 Uhr im Ersten

In seiner mehrfach ausgezeichneten romantischen Komödie "Meine verrückte türkische Hochzeit" beschreibt Autor Daniel Speck, welche Hindernisse ein sympathischer junger Mann überwindet, um das Herz einer jungen Deutschtürkin zu erobern. Oder richtiger gesagt: um ihre sittenstrenge Familie davon zu überzeugen, dass er der Richtige ist. In "Zimtstern und Halbmond" erzählt er eine ganz ähnliche Geschichte, wenn auch aus verändertem Blickwinkel. Die Beteiligten sind natürlich andere, der Schauplatz auch: Diesmal spielt die Romanze nicht im multikulturell geprägten sommerlichen Berlin, sondern im konservativen weihnachtlich verschneiten Bayern. Entscheidender aber ist die Verschiebung der Perspektive: Zentrale Figur ist jetzt der Vater (Robert Atzorn). Und um die Konflikte auf die Spitze zu treiben, sind die Liebenden seine Tochter Barbara (Lisa Maria Potthoff) und der Palästinenser Kamal (Omar El-Saeidi).

Gerade die Nationalität des potenziellen Bräutigams nutzt Speck für viele böse Dialogzeilen, die Atzorn mit überzeugend grimmiger Miene zum Besten gibt. Vater Hinrichs, der sich für einen liberalen Mann hält, entpuppt sich durch und durch als Rassist, als es um seine Tochter geht: Man brauche gar nicht mehr wegfahren, um fremde Kulturen kennen zu lernen, "neulich gab es sogar einen hübschen kleinen Ehrenmord." Später, als vermeintlich wohlmeinende Nachbarn Mutter Lisbeth (Gundi Ellert) Betty Mahmoodys Buch "Nicht ohne meine Tochter" zugesteckt haben, beruhigt Kamal Barbaras Eltern mit dem Hinweis, er sei Palästinenser: "Wir entführen keine Babys. Nur Flugzeuge!"

Natürlich ist Gottfried Hinrichs der böse Gegenspieler, der der Liebe im Weg steht. Durch die Konzentration auf seine Perspektive und die Besetzung mit Sympathieträger Atzorn aber wirkt der pensionierte Kapitän letztlich nur wie so viele Väter, die ihre einzige Tochter nicht loslassen können. Dass ihr Freund ein Ausländer ist, macht es Hinrichs bloß leichter, seine wahren Gefühle zu verbergen. Dabei hat Hinrichs einst, auch das eine ausgezeichnete Buchidee, beinahe die gleichen Erfahrungen gemacht, als der protestantische Preuße aus Hamburg Lisbeths erzkatholische Eltern überzeugen musste, ihn als Schwiegersohn zu akzeptieren. Ihnen und ihr zuliebe ist er damals konvertiert. Und weil Lisbeth in religiösen Fragen ähnlich intolerant ist wie Kamals mit Kind und Kegel angereiste muslimische Sippe, trennen sich die Parteien zunächst unversöhnt.

Matthias Steurer (zuletzt "Das Glück ist eine Katze") inszeniert den Kampf der Kulturen mit angemessener Gelassenheit und ohne offene Parteinahme; sieht man davon ab, dass das Wohlwollen naturgemäß dem jungen Paar gehört. Ansonsten lebt der Film von den vielen kleinen und großen Einfällen, die mitunter das pure Vergnügen sind. Die gelegentlichen Slapstickeinlagen fügen sich wunderbar in die Handlung ein, die Darsteller sind treffend besetzt. Gerade Atzorn ("Sind die Piraten einmal an Bord, ist das Schiff verloren") gelingt die Gratwanderung zwischen Griesgram und liebendem Vater. Am Ende ist es ausgerechnet der Kapitän, der die Liebenden in salomonischer Weisheit zusammenführt.

 


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).