Ein Jahr ist keine lange Zeit, um eine Reform in der Entwicklungspolitik anzugehen, an der schon Vorgängerregierungen gescheitert sind. Entsprechend stolz spricht Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) am Donnerstag von einem "Meilenstein", als die Verträge zur Fusion der drei staatlichen Entwicklungsorganisationen GTZ, DED und Inwent unterzeichnet sind: "Das hat uns über lange Strecken keiner zugetraut."
"Die Fusion mit Leben füllen"
"Niebels Riesenbaby" nennt Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz flapisg die neue "Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit" (GIZ), die am 1. Januar 2011 an den Start geht. Sie werde die "weltgrößte Beratungsorganisation in der Entwicklungszusammenarbeit" mit rund 18.000 Mitarbeitern und einem Budget von fast zwei Milliarden Euro.
Niebel hat geschafft, was seiner Amtsvorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) nicht gelang. Zwar ist es nur eine sogenannte "kleine Lösung", denn die KfW-Entwicklungsbank bleibt bei der Fusion außen vor. Aber auch die Kooperation zwischen GIZ und der Bank soll enger werden.
Mit der Fusion will Niebel die deutsche Entwicklungshilfe effektiver machen. Politiker aller Fraktionen sind der Meinung, dass die Reform nötig und sinnvoll ist. Denn kein anderes Land leistet sich so viele staatliche Entwicklungsorganisationen - rund 30 an der Zahl. Im Ausland stößt das oft auf Unverständnis.
Nach der Vertragsunterzeichnung wird die Arbeit erst beginnen. "Jetzt gilt es, die Fusion mit Leben zu füllen", sagte Jürgen Wilhelm dem epd. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) und einer der sieben neuen GIZ-Vorstände.
Sechs Monate bis zur Umsetzung
Laut Wilhelm wird bereits intensiv daran gearbeitet, die Fusion in die Praxis umzusetzen. GTZ und DED haben unter Einbeziehung der KfW-Entwicklungsbank in dieser Woche bereits weltweit vereinbart, wer in welchem Land vorläufig der Ansprechpartner ist, der die gemeinsame deutsche Entwicklungszusammenarbeit vertritt. Innerhalb von sechs Monaten soll dann endgültig entschieden werden. Wilhelm ist optimistisch, dass das Zusammenwachsen schnell vorangeht: "Es ist ja nicht so, dass hier Feinde zur Hochzeit gezwungen werden."
Dennoch herrscht bei vielen Mitarbeitern im In- und Ausland Unsicherheit. Denn die Unternehmenskulturen der drei Organisationen sind denkbar unterschiedlich: Da ist auf der einen Seite die mit knapp 15.000 Mitarbeitern große und selbstbewusste GTZ (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit), die geprägt ist von Expertentum und Wirtschaftlichkeit.
DED-Mitarbeiter wiederum gehen für deutlich weniger Geld und oft mit sehr viel Idealismus in Entwicklungsländer. Natürlich werde die GTZ als Monopolführer versuchen, ihren Einfluss geltend zu machen, räumt Wilhelm ein: "Ich sehe das als Aufgabe an."
Grüne: "Bereits zum Start vermasselt"
Dass die GTZ zu mächtig wird, will die Bundesregierung verhindern. Beerfeltz betonte bei der Vertragsunterzeichnung erneut, dass die Rolle des DED und der Weiterbildungsagentur Inwent in Zukunft gestärkt werde, denn die GIZ solle "näher dran sein an den Menschen".
Der GTZ-Aufsichtsrat gab der Nachfolgeorganisation nun 18 statt 24 Monate Zeit, um Aufbau und Struktur festzulegen. Mitte 2012 steht dann auch die Debatte um den Vorstand der fusionierten Gesellschaft an. Der Aufsichtsrat war schließlich Niebels umstrittenem Personalvorschlag gefolgt, sieben Männer in den Vorstand der GIZ zu setzen, obwohl die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sich Frauenförderung und Effizienz auf die Fahnen geschrieben hat.
Die Grünen-Entwicklungsexpertin Ute Koczy sieht damit "den guten Außenauftritt bereits zum Start vermasselt". Allerdings soll die Führungsriege nach der Übergangszeit auf fünf Vorstände reduziert werden und mindestens zwei Frauen aufnehmen. Machtkämpfe bei den ersten Schritten des "Riesenbabys" sind somit nicht ausgeschlossen.