SPD fordert Leyen zu Kompromiss bei Hartz IV auf
Die Hartz-IV-Reform wird am Freitag im Bundesrat wohl keine Mehrheit finden. Damit steht die Koalition unter Druck, einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss zu finden. Die SPD stellt Forderungen.
15.12.2010
Von Frank Leth

Der SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) aufgerufen, nach dem absehbaren Scheitern ihrer Hartz-IV-Reform am Freitag im Bundesrat einen Kompromiss zu akzeptieren. Die Bundesregierung müsse sich vor allem beim Bildungspaket für Kinder, bei der Berechnung des Regelsatzes und beim Thema Mindestlöhne bewegen, sagte Heil der "Braunschweiger Zeitung" (Mittwoch).

SPD fordert "echtes Bildungspaket"

Die SPD werde nicht im Vermittlungsausschuss in hektischer Nachtsitzung einer mangelhaften Lösung zustimmen. Heil forderte ein "echtes Bildungspaket" auch für Kinder der Geringverdiener. Mindestlöhne sollten sicherstellen, dass Arbeitnehmer mehr Geld bekämen als Arbeitslose. Zudem entspreche die Festlegung der Hartz- IV-Regelsätze wohl nicht dem Urteil des Verfassungsgerichts.

Von der Leyen trage allein die Verantwortung dafür, dass ihr Gesetzentwurf im Bundesrat nicht mehrheitsfähig sei, sagte Heil. Noch vor Wochen habe sie für den Fall einer Ablehnung in der Länderkammer einen "Plan B" skizziert: Die Ministerin könne ohne Gesetz zum 1. Januar 2011 vorläufig all das in Kraft setzen, was sie für richtig halte, um dem Urteil des Verfassungsgerichts zu entsprechen. Dies sei auch die Rechtseinschätzung der SPD. Wenn von der Leyen dies nun unterlassen wolle, sei das "der untaugliche Versuch, andere für ihr Scheitern verantwortlich zu machen und für eine unzureichende Lösung Druck aufzubauen".

Keine Mehrheit im Bundesrat

Die Erwerbslosenverbände des Bündnisses "Krach schlagen statt Kohldampf schieben" riefen dazu auf, den neuen Hartz-IV-Regelsätzen nicht zuzustimmen. "SPD, Grüne und Linke stehen in der Pflicht, sich im Vermittlungsausschuss für eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze einzusetzen, die diesen Namen auch verdient", sagte Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen. "Die SPD wird beweisen müssen, dass sie der verbalen Abkehr von der Agenda-Politik nun auch Taten folgen lässt."

Der Bundestag hatte Anfang Dezember mit den Stimmen der CDU, CSU und FDP beschlossen, den Hartz-IV-Satz für einen alleinstehenden Erwachsenen von 359 auf 364 anzuheben. Die Regelsätze für Kinder sollen unverändert bleiben, aber um Leistungen für Bildung und Teilhabe ergänzt werden. Im Bundesrat hat die Regierung keine Mehrheit für die Reform, weil das Saarland, wo die Grünen mit CDU und FDP mitregieren, sich enthalten will. Das Bundeskabinett will deswegen am heutigen Mittwoch einen "Vorratsbeschluss" zur Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag fassen.

Paritätischer Wohlfahrtsverband befürchtet "Kuhhandel" 

Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnt die Politik vor einem "Kuhhandel" bei der Hartz-IV-Reform. Er erwarte eine schnelle Einigung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Doch Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht werde diese Einigung voraussichtlich nicht standhalten.

Lehnt der Bundesrat die Hartz-IV-Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung am Freitag wie erwartet ab, soll der Vermittlungsausschuss noch vor Weihnachten zusammenkommen. Schneider sagte, keiner wolle sich sagen lassen, er verderbe den Kindern das Weihnachtsfest. Daher rechne er mit einer schnellen Einigung. Die SPD müsse sich entscheiden, ob sie in den Verhandlungen die Regierungspläne unterstützt und dann beim Verfassungsgericht mit auf der Anklagebank sitzt.

Teileinführung der Hartz-IV-Reform möglich

Der Wohlfahrtsverband hält eine Teileinführung der Hartz-IV-Reform für möglich, so dass das sogenannte Teilhabepaket in Höhe von zehn Euro pro Kind und Monat sowie die Leistungen für eintägige Klassenfahrten zum 1. Januar in Kraft treten. Nachhilfe und Schulpaket seien ohnehin bereits Gesetz und keine neuen Leistungen, sagte Schneider der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochsausgabe).

Die Neuberechnung der Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger, wonach ein alleinstehender Erwachsener statt bislang 359 künftig 364 Euro im Monat erhalten soll, kritisierte Schneider scharf. "Was jetzt vorliegt als Gesetz, ist wieder mal ins Blaue geschätzt, ist kleingerechnet, ist gedrückt, um die Kosten halbwegs m Griff zu behalten", sagte der Hauptgeschäftsführer im ZDF.

Nach Berechnungen des Wohlfahrtsverbandes müsste der Regelsatz auf über 400 Euro steigen. "Alles, was darunter ist, ist höchstwahrscheinlich nicht verfassungsgemäß", sagte Schneider. In Bezug auf die Regelsätze für Kinder sprach er von einem "statistischen Schrotthaufen".

dpa / epd