TV-Tipp des Tages: "Morgen musst Du sterben" (ARD)
Niki Steins subtiler Thriller ist die Chronik eines angekündigten Todes. Der Film lebt vor allem von seiner Mysteriösität und dem großartigen Uwe Kockisch.
15.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Morgen musst Du sterben", 15. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten

Manchmal genügt ein Satz, um ein Lebensgebäude ins Wanken zu bringen. "Morgen musst Du sterben" steht auf einem Zettel, den Johannes Ganten in seinem Briefkasten findet. Zunächst nimmt er die Warnung nicht ernst. Aber dann wird sein bislang so erfolgsverwöhntes Dasein systematisch aus seiner Bahn geworfen. Vor Jahren hat Martin Scorsese mit seinem Film "After Hours – Die Zeit nach Mitternacht" ein Genre begründet, das bis heute keinen Namen hat. Es ist quasi das Großstadtpendant zu jenen Geschichten, in denen unbescholtene Zeitgenossen im Hinterland falsch abbiegen und im puren Horror landen.

Auch im urbanen Umfeld reicht in der Regel eine kleine Ursache, um eine zerstörerische Kettenreaktion auszulösen. Prompt misslingt dem verunsicherten Ganter alles, was er anfasst. Regisseur Niki Stein verarbeitet in seinem Drehbuch viele gute Ideen, aber die beste war die Besetzung von Uwe Kockisch. Der wunderbare und nicht nur als Commissario Brunetti meist in sich ruhende Schauspieler käme einem für die Rolle des Frankfurter Professors sicher nicht als erster in den Sinn, aber er verleiht der systematischen Demontage dieses Mannes eine noch größere Fallhöhe.

Nachdem Ganter gleich zu Beginn beinahe von einem herabfallenden Weihnachtsbaum erschlagen wird, reiht sich ein negatives Ereignis ans andere. Und dann findet er eine auf seinen Namen ausgestellte Todesanzeige. Irgendjemand scheint jeden seiner Schritte vorauszuahnen; die Polizei glaubt ihm natürlich kein Wort. Einzig sein bester Freund (Matthias Habich) hält noch zu ihm. Zunächst deutet allein die Musik von Steins Stammkomponisten Jacki Engelken und Ulrik Spiess an, dass "Morgen musst Du sterben" ein Thriller ist. Als sich die rätselhaften Vorfälle mehren und Ganten immer stärker verunsichert ist, wird er automatisch zum Sympathieträger.

Dabei entpuppt sich dieser Mann, über den man kaum mehr erfährt, als dass er geschieden ist, nach und nach als mindestens oberflächlicher, wenn nicht gar gefühlloser Egozentriker. Den Höhepunkt dieser Chronik eines buchstäblich angekündigten Todes bleibt Stein jedoch schuldig. Der Film ist ausgezeichnet gespielt (Gesine Cukrowski als Ex-Freundin, Franz Dinda als Sohn, Susanne Lothar als aufdringliche Nachbarin) und angemessen mysteriös inszeniert, doch der Schluss ist etwas kraftlos.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).