Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verteidigt das Ergebnis des Runden Tisches Heimerziehung, wonach misshandelte Heimkinder keine pauschalen Entschädigungen erhalten sollen. Die Situation in den bundesdeutschen Heimen in den 50er und 60er Jahren sei sehr unterschiedlich gewesen. Pauschale Entschädigungen würden angesichts des individuellen Leids zu neuen Ungerechtigkeiten führen, sagte der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke, am Montag. Unterdessen kündigte die Vorsitzende des Vereins ehemaliger Heimkinder, Monika Tschapek-Güntner, an, gegen den Kompromiss am Runden Tisch zu klagen.
Rasche und unbürokratische Hilfe
Nach fast zweijährigen Beratungen hatte sich der Runde Tisch am vergangenen Freitag darauf geeinigt, einen 120 Millionen Euro umfassenden Entschädigungsfonds aufzulegen, der zu gleichen Teilen vom Bund, den Bundesländern und den Kirchen finanziert wird. Der Fonds ist nach oben offen, für den Fall, dass sich mehr Opfer melden als erwartet. Mit dem Geld sollen Heimkinder entschädigt werden, die in den 50er und 60er Jahren in der Bundesrepublik unter teils brutalen Erziehungsmethoden in Kinder- und Jugendheimen staatlicher sowie kirchlicher Träger gelitten haben.
Der Abschlussbericht des Runden Tisches wird am Montagvormittag in Berlin vorgestellt. Bundestag und die Parlamente der elf westdeutschen Bundesländer entscheiden über die Umsetzung der Empfehlungen.
EKD-Kirchenamtspräsident Anke sagte im Deutschlandfunk, da die Situation in den Heimen sehr unterschiedlich gewesen sei und das Leid der Betroffenen individuell verschieden, könne diesen eine Einzelfallprüfung nicht erspart werden. Die Hilfen über den Entschädigungsfonds sollen nach seinen Worten über regionale Anlaufstellen organisiert und rasch und unbürokratisch geleistet werden. Damit solle jenen geholfen werden, die noch heute unter den Folgen ihres Heimaufenthaltes leiden. Die Zahlungen seien für Therapien oder auch das Nachholen einer Ausbildung gedacht, sofern das heute noch möglich sei, sagte Anke, der die evangelische Kirche am Runden Tisch vertreten hatte.
"Billige Abspeisung"
Tschapek-Güntner sprach am Montag im Deutschlandradio Kultur von einer "billigen Abspeisung" und Demütigung der Betroffenen. Bei geschätzten 30.000 Anspruchsberechtigten bekomme der Einzelne 2.000 bis 3.000 Euro. "Eigentlich müssten alle, die am Runden Tisch sitzen, sich dafür schämen", sagte sie.
Der Verein ehemaliger Heimkinder hatte nicht am Runden Tisch mitgearbeitet. Die Zustimmung der drei Heimkinder-Vertreter in dem Gremium zu dem ausgehandelten Kompromiss erklärte Tschapek-Güntner mit Nötigung. Auf diese sei großer Druck ausgeübt worden. "Wir gehen den Klageweg", sagte die Vereinsvorsitzende und forderte erneut eine Einmalzahlung für die Betroffenen von 50.000 Euro oder eine zusätzliche monatliche Rente in Höhe von 300 Euro.
EKD-Kirchenamtspräsident Anke wies die Kritik zurück: "Ich kann nicht verstehen, dass solch ein Ergebnis nicht akzeptiert werden kann." Klagen misst er wenig Aussicht auf Erfolg bei. "Ich gehe nicht davon aus, dass juristische Wege zu einem Erfolg führen können", sagte er.
Etwa 800.000 Kinder und Jugendliche wuchsen nach Angaben des Runden Tisches in den 50er und 60er Jahren in kirchlichen und staatlichen Heimen auf. Zahlreiche Heimkinder litten unter brutalen Erziehungsmethoden, Demütigungen, Prügel und Arbeitszwang. In seinem Abschlussbericht erkennt der Runde Tisch das Leid der Heimkinder als Unrecht im Rechtsstaat an.
Der Runde Tisch Heimerziehung hatte im Februar 2009 seine Arbeit aufgenommen. Er beriet unabhängig vom Runden Tisch zu Fällen sexuellen Missbrauchs, der im Frühjahr dieses Jahres von der Bundesregierung ins Leben gerufen worden war.