TV-Tipp: "Familie Fröhlich - Schlimmer geht immer"
Schwere Zeiten für Familie Fröhlich: Vater Bernd ist seit längerer Zeit ohne Arbeit. Ehefrau Petra und die beiden Töchter Mia und Nele versuchen, so gut wie möglich mit der Situation umzugehen.
10.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Familie Fröhlich - Schlimmer geht immer", 13. Dezember, 20.15 Uhr im Zweiten

Die besten Komödien handeln von Geschichten, die sich kurz vor dem Abgrund zutragen. Man sieht ihn zwar nicht, aber er ist permanent präsent; die Tragödie ist nur einen Schritt entfernt. Die Rahmenhandlung ihres Drehbuchs, sagt Autorin Anne Müller, sei daher wie ein Trojanisches Pferd: Das ernste Thema wird humorvoll verpackt. Auf den ersten Blick ist die Geschichte von Familie Fröhlich, dem Titel entsprechend, eine muntere Familienkomödie. Vater Bernd (Jürgen Tarrach), ein Automechaniker, ist zwar arbeitslos, lässt sich aber nicht unterkriegen, obwohl die seltenen Bewerbungsgespräche immer wieder frustrierend enden: zu alt, zu ungebildet, zu korpulent. Während Gattin Petra (Simone Thomalla) mit ihrem florierenden Dessousverkauf dafür sorgt, dass der Schornstein raucht, kümmert sich Bernd, liebevoller Vater und begnadeter Koch, um den Haushalt.

Diese ungewöhnliche und durch viele sympathische Familienszenen illustrierte Konstellation ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere spielt bei der Agentur für Arbeit. Auf dieser Ebene tummeln sich, um im Bild der Autorin zu bleiben, die Griechen. Genau genommen ist es nur einer, aber dafür ist Herr Lämmle ein besonders unangenehmer Vertreter seiner Art. In den Dialogen verarbeitet Müller das ganze schönfärberische Geschwafel, das letztlich bloß mangelnde Effizienz kaschieren soll, weil ein knapp fünfzig Jahre alter Arbeitsloser praktisch nicht zu vermitteln ist. Da Lämmle-Darsteller Rudolf Kowalski in der Regel positiv besetzte Rollen spielt, wirken die Titel der Maßnahmen, in denen er Fröhlich unterbringen will ("Aktivieren und Orientieren", "Orientieren und Motivieren"), doppelt deprimierend. Als Bernd aufbegehrt, reagiert der Beamte kleinkariert und droht mit Sanktionen.

Ein wunderbarer Drehbucheinfall sorgt dafür, dass die Kontrahenten unter ganz anderen Umständen erneut aufeinander treffen: Tochter Mia Fröhlich (Henriette Confurius) steht kurz vor dem Abi und wird schwanger. Als Eltern des jungen Vaters entpuppen sich ausgerechnet Herr Lämmle und seine lebenslustige Gattin (Leslie Malton), die gerade erst bei Petra Fröhlich eine neckische im Dunkeln leuchtende Korsage erworben hat. Als sich die Eltern treffen, um über die Zukunft der Kleinfamilie zu sprechen, haut Bernd seinem "Fallmanager" genüsslich all die Arbeitsamtphrasen um die Ohren.

Anne Müller wusste, dass sie das Drehbuch für Jürgen Tarrach und dem vollschlanken Mimen somit buchstäblich auf den Leib schreibt. Dem wiederum passt die Rolle wie ein Maßanzug, zumal ihm die Autorin einen Gegenentwurf an die Seite stellt: Martin Brambach verkörpert Bernds besten Freund Harry, der nach dem Job auch die Frau verliert, wunderbar lebensnah. Er lebt all das aus, was Bernd in positive Bahnen zu lenken versucht: Wut, Verzweiflung und Resignation. Trotzdem inszeniert Komödienspezialist Thomas Nennstiel ("Sexstreik!") den Film immer zuversichtlich; auch wenn das märchenhafte Ende zu schön ist, um wahr zu sein.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).