Stuttgart 21: Verschwieg die Bahn höhere Kosten?
Die Bahn soll nach einem Zeitungsbericht schon bei der Unterzeichnung der Finanzierungsverträge über Stuttgart 21 im April 2009 deutliche Kostensteigerungen verschwiegen haben.

Statt der im Vertrag genannten 3,076 Milliarden Euro hätten die Bahnplaner bereits Ende 2008 Kosten von 3,93 Milliarden Euro ermittelt, schreibt die "Stuttgarter Zeitung" (Mittwoch). Das gehe aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfer hervor, die im Rahmen der Schlichtung die Kalkulation für den Bau des Tiefbahnhofs untersucht haben. Der Grünen-Verkehrsexperte Werner Wölfle sprach von Täuschung.

Die Bahn wies die Vorwürfe zurück. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Verträge sei die Entwurfsplanung noch nicht abgeschlossen gewesen. "Deshalb konnte man auch keine Aktualisierung der Kostenberechnung vornehmen", sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Die Entwurfsplanung sei im Juli 2009 fertig gewesen, und im Dezember 2009 seien die Kosten für den Bau des Bahnhofs und der Anbindung an die geplante Schnellbahnstrecke nach Ulm dann auf rund 4,1 Milliarden Euro korrigiert worden. Auch diese Kalkulation halten Kritiker für schöngerechnet.

Volksabstimmung nach Stresstest?

Sollte die SPD nach der Landtagswahl regieren, soll es eine Volksabstimmung über Stuttgart 21 erst geben, wenn die Ergebnisse des Stresstests für den Tiefbahnhof vorliegen. "Wir hängen nach dem Schlichterspruch in der Luft", sagte SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid. Die Bahn hat das Resultat der vom Schlichter Heiner Geißler empfohlenen Computersimulation zur Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofes erst für Mitte kommenden Jahres angekündigt.

Schmid sagte, erst das Ergebnis des Tests gebe Klarheit über die endgültigen Kosten. Ein Resultat könnte sein, dass Nachbesserungen notwendig werden. Auch die Grünen im Landtag wollen erst nach dem Ende des Tests das Volk befragen, wenn sie nach der Wahl am 27. März an die Regierung kommen sollten.

Verhältnismäßigkeit des Stuttgart-21-Einsatzes umstritten

War der Einsatz der Polizei gegen Stuttgart-21-Kritiker am 30. September angemessen oder nicht? Je nach Perspektive wurde diese Frage im Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags am Montag sehr unterschiedlich beantwortet.

Stuttgart (dpa) - Der Streit über den harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner im September hat sich im Untersuchtungsausschuss des baden-württembergischen Landtags fortgesetzt. Der Freiburger Rechtsprofessor Thomas Würtenberger erklärte den Einsatz in der Ausschusssitzung am Montag für verhältnismäßig. "Es ging um Auflösung einer Verhinderungsblockade", sagte der von der CDU bestellte Sachverständige. Die Demonstranten hätten teilweise versucht, gewaltsam Baumaßnahmen zu unterbinden. Dies bestritten Teilnehmer der Demonstration.

Der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht erklärte, mit dem gewaltsamen Vorgehen der Demonstranten sei der Protest nicht mehr unter das Versammlungsrecht gefallen. Deshalb sei der Einsatz von Pfefferspray und Wasserwerfern gerechtfertigt gewesen. "Daher ist die These von den friedlichen Demonstranten und den unfriedlichen Polizisten verfehlt." Die Zwangsmaßnahmen gegen Jugendliche seien ebenfalls gerechtfertigt gewesen. "Auch der Jugendprotest muss sich im Rahmen der Rechtsordnung halten."

Dagegen sah die Demonstrantin Sigrid Klausmann-Sittler das Vorgehen der Polizei mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern als "vollkommen unverhältnismäßig" an. "Das ist wie Krieg", sei ihr durch den Kopf gegangen, nachdem sie von einem Wasserwerfer schmerzhaft am Rücken getroffen wurde, berichtete die Frau des Schauspielers und erklärten Stuttgart-21-Kritikers Walter Sittler. Die Demonstranten habe sie nur als Opfer der Polizeikräfte gesehen. Die Protestierenden seien dagegen sehr diszipliniert gewesen.

Auch der Sprecher der Aktivisten-Gruppe Parkschützer, Matthias von Herrmann, berichtete von "Provokation" durch Polizisten am Morgen des 30. September im Schloßgarten. Dort seien junge Menschen von den Einsatzkräften geschubst und angeschrien worden. Er habe bei seinem Aufenthalt im Park keinen Angriff mit Steinen oder Feuerwerkskörpern auf Polizisten bemerkt. "Sitzen ist ja nicht unfriedlich", fügte der 37-Jährige mit Blick auf die Sitzblockaden hinzu.

Ein Mannheimer Polizist bestätigte die Darstellung der Demonstranten: "Ich konnte nicht feststellen, dass man Gewalt gegen uns angewendet hat."

dpa