Europas erfolgreichste Fernsehshow in der Kritik: Nach dem schweren Unfall bei "Wetten, dass..?" fordern einige Politiker Konsequenzen. Doch anscheinend stehen sie damit allein: Die Mehrheit der Zuschauer und auch Medienexperten stehen zu der Show. Sie halten einseitige Schuldzuweisungen für falsch. Das ZDF bewahrt die Ruhe: Konkrete Konsequenzen für den TV-Dauerbrenner würden erst beschlossen, wenn Klarheit über den Gesundheitszustand des verletzten Wettkandidaten besteht. Eines steht fest: ""Wetten, dass..?" wird sicherlich weitergehen", sagte Programmchef Thomas Bellut.
Während der Live-Übertragung am Samstagabend hatte sich der 23- jährige Kandidat Samuel Koch schwer verletzt. Mit Sprungstelzen war er über fahrende Autos gesprungen und schwer gestürzt. Die Sendung wurde abgebrochen. Koch erlitt Verletzungen an der Halswirbelsäule und lag am Montag noch im künstlichen Koma. Allerdings wollten die Ärzte dies allmählich zurückfahren, was vermutlich zwei Tage dauert.
77 Prozent wollen auch künftig "Wetten, dass..?" sehen
Der Unionsfraktionsvize im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), kritisiert in der Boulevardzeitung "B.Z." (Dienstag): "Hier wurde eine Grenze überschritten. Da ist zu viel Auf-die-Quoten-Schielen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, zu viel Sensationsgier." Und Hans-Christian Ströbele (Grüne) meint ebenfalls in der "B.Z.": "Ich frage mich, ob eine derart waghalsige Aktion dort im Saal tatsächlich live gefilmt werden muss. Das ist schlicht unglaublich und gehört ganz sicher nicht zu den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Fernsehens."
Doch diese Einschätzungen gehen zu einem Großteil am Empfinden der Zuschauer vorbei: 77 Prozent wollen auch künftig "Wetten, dass..?" im TV sehen, 65 Prozent geben dem ZDF keine Mitschuld an dem Unfall und 63 Prozent glauben nicht, dass Quotendruck damit in Zusammenhang steht. Dies ergab eine repräsentative Studie des Instituts YouGov. Jedoch wünschen sich 59 Prozent der 961 Befragten, dass künftig auf riskante Wetten verzichtet wird; 33 Prozent halten das für unnötig.
Der Leiter des Adolf-Grimme-Instituts, Uwe Kammann, hält den Vorfall für den falschen Anlass, um über die Quote zu diskutieren. Der Unfall sei tragisch, aber ein Einzelfall, sagte er dem Radiosender MDR Info. Andere Formate bereiteten ihm mehr Sorge, Sendungen, die auf eine inszenierte Realität setzten und Menschen bloßstellten, die sich selbst nicht wehren können. Spielshows bedienten dieses Element nicht.
Sicherheit geht vor: Vom "Wetten, dass...?"-Team ausgebremst
Ein erfahrener Stuntman nahm das ZDF gegen Kritik in Schutz. Die Wette sei nicht zu schwierig gewesen, sagte René Lay, Geschäftsführer beim Bundesverband deutscher Stuntleute, der dpa. Er selbst sei vor zwei Jahren mit einem Feuerstunt bei der Show gewesen und habe die Sicherheitsstandards als sehr gut erlebt.
Auch der frühere Wettkandidat Pascal Siffert (22) sagte der "Braunschweiger Zeitung" (Dienstag): "Ich bin nie zu etwas gedrängt worden." Er sei im Gegenteil vom "Wetten, dass..?"-Team ausgebremst worden, weil die Sicherheit vorgehe. Siffert hatte vor einem Jahr in Braunschweig in knapp einer Minute 15 Autos übersprungen.
Das ZDF-Fernsehratsmitglied Marc Jan Eumann (SPD) sagt den Zeitungen der "WAZ"-Gruppe (Dienstag): "Dass in einer Wett-Sendung Grenzen ausgelotet werden, liegt in der Natur des Unterhaltungs-Fernsehens. Bislang haben die Sicherheitsmechanismen funktioniert, sonst wäre in 29 Jahren "Wettendass..?" zuvor schon etwas passiert."
Das ZDF selbst erklärte über seinen Sprecher Peter Gruhne selbstbewusst: "Es ist klar - so tragisch es ist - wir haben uns nichts vorzuwerfen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren gegeben." Dennoch werde über Konsequenzen diskutiert.
"Wir werden noch einmal den Sicherheitsstandard erhöhen, obwohl wir immer der Auffassung waren, der ist kaum zu erhöhen", sagte ZDF-Programmchef Bellut dem Sender NDR 1 Niedersachsen. "Wir müssen gucken, wie verändern wir die Regeln bei den Wettkandidaten so, dass sich so etwas nicht wiederholt." Gruhne erklärte, das Modertorenteam Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker stehe jedoch außer Frage.
"Spektakuläre Wetten sind nicht zwingend Quotenbringer"
Viele andere Fragen sind noch offen: Wird die nächste Show, die im Februar in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) geplant ist, so stattfinden? Werden die Gäste vom Samstag zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eingeladen? All das werde zu gegebener Zeit entschieden, sagte Gruhne.
Bekommen die Gäste wie Take That und Justin Bieber ihre vollen Gagen für den Abend? Das sei "Vertragssache", antwortete der Sprecher - und damit sei es geheim.
Hat das ZDF unter Quotendruck schon mal fragwürdige Wetten angenommen? Grundsätzlich sei auszuschließen, dass Wetten nur genommen werden, weil sie potenzielle Quotenbringer sind, sagte Gruhne. Ohnehin: "Die spektakulären Wetten sind nicht zwingend Quotenbringer. Bei den Zuschauern kommt an, was sie selbst nachmachen können." Nach ZDF-Angaben gingen zuletzt nach jeder Sendung jeweils rund 1.000 neue Wettangebote ein - nur wenige davon kommen infrage.