Erst vor kurzem habe Samuel Koch mit den Konfirmanden der evangelischen Kirchengemeinde in Efringen-Kirchen Sprachmotetten eingeübt, sagte der gemeindepädagogische Mitarbeiter Frank Seeger am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die ganze Familie des bei dem Unfall schwerverletzten 23-Jährigen sei in der Kirchengemeinde engagiert, sagte Seeger. Samuels Vater sei als Prädikant und Kirchenältester aktiv und wollte dieses Jahr an Heiligabend eigentlich die Predigt halten, die Mutter organisiere das alljährliche Krippenspiel an Weihnachten.
Samuel habe viele Jahre lang Kindergottesdienste abgehalten und seine Schwestern seien in der Jugend- und Jungschararbeit tätig, berichtete Seeger. "Samuel ist ein sehr zuvorkommender, fröhlicher und offener Mensch", äußerte der Mitarbeiter über das älteste von vier Kindern. Zwar sei der derzeit in Hannover studierende Kunstturner und angehende Schauspieler nur noch selten in der südbadischen Gemeinde anzutreffen, doch es gebe noch immer rege Kontakte. An diesem Dienstag will Seeger mit der Familie des Verunglückten Kontakt aufnehmen, "die Stimmung hier ist sehr gedrückt", sagte Seeger.
An der Halswirbelsäule verletzt
Der 23-Jährige war während der Show vor einem Millionenpublikum bei dem Versuch verunglückt, mit Sprungstelzen über ein fahrendes Auto zu springen. Durch den Sturz erlitt er Verletzungen an der Halswirbelsäule und am Rückenmark. Die Ärzte versetzten den Patienten am Sonntag nach einer Notoperation in ein künstliches Koma. Dieses soll allmählich zurückgefahren werden, wie es am Montag in der Klinik hieß. Erst dann könne die "neurologische Situation" endgültig beurteilt werden - sprich: ob bei dem Patienten weiterhin Lähmungserscheinungen auftreten.
"Wetten, dass...?" war nach dem schweren Unfall erstmals in der 29-jährigen Geschichte der Sendung abgebrochen worden. Moderator Thomas Gottschalk und das Publikum hatten bestürzt reagiert. Nach Ansicht des Vizepräsidenten des EKD-Kirchenamtes, Thies Gundlach, hat der Unglücksfall viele ZDF-Zuschauer veranlasst, für den Kandidaten und seine Familie zu beten. Auch ohne Gebetsaufruf über ein soziales Netzwerk wie "Twitter" hätten sich Menschen unter dem Eindruck des Schrecks im Gebet an Gott gewandt und um Trost gefragt, sagte der Theologe in Hannover dem epd.
Gundlach: Viele Zuschauer haben gebetet
Der Teenie-Star Justin Bieber hatte nach dem Unglück am Samstagabend seine Fans aufgefordert, für Samuel Koch zu beten. "Bitte betet für Samuel und seine Familie, während wir warten und auf das Beste für seine Gesundheit hoffen", schrieb der Sänger über Twitter. Die Show, in der Bieber auftreten sollte, wurde nach dem schweren Unfall abgebrochen. Es sei gut, dass über Twitter zum Gebet aufgerufen wird, sagte Gundlach. Er warnte zugleich davor, einen Wettbewerb zwischen herkömmlichen und modernen Wegen zu konstruieren, auf denen sich Menschen an Gott wenden. "Gott achtet nicht auf Geschwindigkeit, sondern auf den Inhalt.", fügte der leitende Theologe im EKD-Kirchenamt hinzu.
Bestürzt über den Unfall hat sich auch der evangelische badische Landesbischof Ulrich Fischer geäußert. In sein Gebet für die vollständige Genesung des 23-Jährigen schließe er dessen Vater ein, der nun mit dieser Tragödie fertig werden müsse, erklärte Fischer. Der Vater saß am Steuer des Wagens, den der junge Mann mit Hilfe von Sprungfedern überspringen wollte. Dabei stürzte er und verletzte sich schwer. Christof Koch ist Prädikant und Kirchenältester in Südbaden, die ganze Familie engagiert sich in der Gemeindearbeit.
Landesbischof Fischer kritisiert spektakuläre Wetten
Fischer, der auch Vorsitzender des EKD-Medienausschusses ist, bedauerte nach dem Unfall in der ZDF-Samstagabendshow, "dass eine Sache, die Spaß bereiten soll, in der Übersteigerung dazu führt, dass großer Schmerz entsteht". Deshalb müsse die Frage aufgeworfen werden, wie künftig mit solchen spektakulären Wetten, die die Gesundheit eines Kandidaten gefährdeten, umzugehen sei.
ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut kündigte an, dass "Wetten, dass...?" weitergehen wird. Der Sender werde aber die Auswahlkriterien für die Wetten sicherlich verändern, sagte Bellut am Montag dem epd. Er wies Vorwürfe zurück, dass sich die Redaktion wegen des Quotendrucks auf eine zu riskante Wette eingelassen habe. Bellut sagte, das Wichtigste sei, dass es dem Kandidaten "hoffentlich bald wieder besser geht". Die Wette von Koch sei vielfach geprobt worden. Ein speziell geschulter Sicherheitsingenieur nehme die Wetten ab. Der Kandidat sei ein trainierter Sportler, der neben seinem Studium als Stuntman arbeite. "Alle Beteiligten waren gemeinsam der Überzeugung, dass die Wette machbar und ohne große Risiken durchführbar sei."
"Es gibt kein Null-Risiko"
Die Redaktion versuche immer, eine Mischung von originellen, amüsanten aber auch sportiven Wetten in der Sendung zu haben, unterstrich Bellut. Ein gewisses Risiko sei aber in vielen Wetten "immer auch enthalten. Ein Null-Risiko gibt es nicht." Das ZDF habe in der langen Geschichte der Show "einen sehr hohen Sicherheitsstandard entwickelt", werde diesen aber noch einmal erhöhen. Die nächste Ausgabe der Show "Wetten, dass...?" ist für den 12. Februar 2011 geplant.
Der Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats, Ruprecht Polenz, sagte dem epd, das Unglück werde am Freitag Thema im ZDF-Fernsehrat sein. Er sehe allerdings den Fortbestand der Show durch den Unfall nicht gefährdet. "Der Unfall muss vollständig untersucht werden - von der ersten Kontaktaufnahme mit dem Wettangebot bis zum Sturz", sagte Polenz. Nach Abschluss der Untersuchung müsse auch über Konsequenzen für den Ablauf künftiger Wetten gesprochen werden. Auch Polenz wies die Kritik zurück, dass der Quotendruck zu immer riskanteren Wetten führe. Spektakuläre Stunts wie bei dieser Wette seien nicht der Hauptgrund für die Beliebtheit der Sendung, sagte er. "Die große Zuschauerresonanz von 'Wetten, dass..?' ergibt sich aus den Gästen und den Showauftritten, sagte er.
Nervenkitzel, Waghalsigkeit, Quote
Nach dem Unfall hatte Ministerpräsident Kurt Beck, der auch Verwaltungsratsvorsitzender des ZDF ist, eine Quotendebatte im Sender gefordert. Der Zeitung "Die Welt" (Montag) sagte er, es müsse darüber gesprochen werden, wann die Grenzen des Verantwortbaren überschritten würden und auch über die "Themen Nervenkitzel, Waghalsigkeit und Quote".
Der Direktor des Grimme-Instituts, Uwe Kammann, sagte dem Radiosender MDR Info, der Unfall sei der falsche Anlass für eine Quotendiskussion. Er sei zwar sehr tragisch, aber ein Einzelfall. Ihm bereiteten Sendungen, die auf "Sozial-Voyeurismus" setzten, mehr Sorgen: Darin würden Menschen bloßgestellt, die sich nicht wehren könnten. Kammann erinnerte daran, dass es auch bei Skirennen spektakuläre Unfälle mit tödlichen Folgen gegeben habe. Diese Szenen seien im Fernsehen Hunderte Male gezeigt worden. Doch beim Sport werde es "für selbstverständlich gehalten, dass das Risiko groß ist".