Fern von Wikileaks: Westerwelle zu Blitzbesuch in Bagdad
Anderswo in der irakischen Hauptstadt werden in dieser Zeit 17 Menschen getötet. Derweil verspricht der FDP-Chef in Bagdad dem geschundenen Land weitere Aufbauhilfe. Und ist froh, dass er endlich einmal Ruhe vor Wikileaks-Enthüllungen hat.
06.12.2010
Von Christoph Sator

Viel ist es nicht, was Guido Westerwelle von Bagdad zu sehen bekommt. Ein paar Regierungsgebäude, die hermetisch verbunkerte deutsche Botschaft. Aber meistens nur die meterhohen Betonmauern rechts und links der Straßen, mit denen man Anschläge verhindern will. Auch siebeneinhalb Jahre nach dem Sturz von Saddam Hussein bietet Iraks Hauptstadt ein verstörendes Bild. Die Friedenstauben und Sonnenaufgänge, die mancherorts die Mauern verschönern, ändern daran nicht viel.

Sechs Stunden nur ist der deutsche Außenminister zu Besuch in der vielleicht gefährlichsten Stadt der Welt. In dieser Zeit werden mindestens 17 Menschen bei Anschlägen getötet, mehr als 100 verletzt. Es ist ein fast normaler Tag. Die massiven Sicherheitsvorkehrungen - so streng wie noch nie bei einer Westerwelle-Reise - haben also durchaus ihren Grund. Unter der Anzugsjacke muss auch der Minister eine Schutzweste tragen. Fotografieren lassen will er sich damit nicht.

Westerwelle hat nicht nur zusätzliche Personenschützer dabei. Eigens hat die deutsche Botschaft Spezialisten der privaten Sicherheitsfirma Sabre angeheuert, die sich in Bagdad bestens auskennen. Billig ist das nicht: Für vergleichbare Einsätze stellen die Briten mehr als 100 000 Euro in Rechnung. Aber so hochrangige Offizielle gab es schon länger nicht mehr zu betreuen.

Erster westlicher Außenminister zu Besuch nach der Wahl

Der FDP-Chef ist seit den Parlamentswahlen von März der erste westliche Außenminister, der wieder zu Gast ist. Praktisch steht das Land seither ohne Regierung da. Mangels eines klaren Siegers zogen sich die Gespräche zwischen den großen politischen Blöcken extrem in die Länge. International lebte man in einer Art Isolation.

Jetzt ist zumindest klar, dass Ministerpräsident Nuri al-Maliki sein Amt behalten soll. Der Schiit hat bis Weihnachten Zeit, ein Kabinett zu formen, in dem alle wichtigen Religions- und Volksgruppen dabei sind. Nicht sicher, dass das gelingt. Andernfalls könnte der Irak zum Bürgerkriegsland werden wie früher der Libanon.

So befindet sich der schwarz-gelbe Vizekanzler aus Berlin in der etwas merkwürdigen Lage, in Bagdad für eine ganz große Koalition zu werben. "Wir wollen unseren Beitrag zur politischen Stabilisierung leisten." Besonders groß ist der Einfluss der Europäer allerdings nicht. Wichtiger sind andere: Die beiden großen Nachbarn Iran und Saudi-Arabien sowie die Amerikaner mit ihren noch 50.000 Soldaten.

Iraker wollen lieber Business als Politik

In den Gesprächen mit Westerwelle legen die Iraker weniger Wert auf politische Empfehlungen. Lieber sind ihnen die Kontakte zur deutschen Wirtschaft. Das deckt sich aber durchaus mit den deutschen Interessen. Beim Wiederaufbau des geschundenen Landes sind Milliarden-Aufträge zu holen. "Im Irak wird gerade ein neues Kapitel aufgeschlagen", sagt Westerwelle. "Für die Politik, aber auch für die Wirtschaft. Wir wollen dabei sein."

Das ist die eine Botschaft, die der FDP-Chef in seinen sechs Stunden immer wieder zu übermitteln versucht. Aber es gibt noch eine andere: Das diplomatische Geschäft geht weiter, allen Wikileaks- Enthüllungen zum Trotz. Auf seinen bisherigen Büroleiter Helmut Metzner, der bei den Amerikanern Interna ausgeplaudert hat, will Westerwelle überhaupt nicht angesprochen werden. Aber dann wird er doch nach den Auswirkungen gefragt. Die Antwort ist so kurz wie möglich: "Keine".

dpa