Wirtschaftlicher Aufschwung lässt Kirchensteuern sprudeln
Die Erholung der Wirtschaft in Deutschland lässt die Kirchensteuern stärker sprudeln als erwartet. Vor allem evangelische Landeskirchen freuen sich über zusätzliche Mittel in größerem Umfang, wie eine am Samstag veröffentlichte Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) ergab.

Einige von ihnen verbuchen sogar höhere Steuereinnahmen als im Vorjahr, andere zumindest mehr Geld als ursprünglich veranschlagt. Verwendet wird es für Rücklagen oder um verschobene Bauprojekte doch in Angriff zu nehmen. Auch etliche katholische Bistümer und Diözese stehen im Vergleich zur früheren Prognosen finanziell etwas besser da. Die Entlastungen sind hier jedoch nicht ganz so groß - auch weil Katholiken ihrer Kirche als Reaktion auf die Missbrauchsskandale in diesem Jahr in stärkerem Maße den Rücken kehrten.

Lange wird der Geldsegen indes nicht anhalten, das wissen die Kirchen. Weil sie schon allein wegen der demografischen Entwicklung dauerhaft Mitglieder verlieren, wird auch die Finanzkraft ihrer Gemeinden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter sinken - und zwar dramatisch. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, spricht deshalb von einem "Zwischenhoch".

Präses Schneider spricht von "Zwischenhoch"

Seiner Heimatkirche, der Evangelischen Kirche im Rheinland, spült der Wirtschaftsaufschwung dieses Jahr immerhin 75 Millionen Euro mehr Kirchensteuer in die Kassen: Statt der zunächst geschätzten 490 Millionen Euro werden jetzt 565 Millionen erwartet. Für das kommende Jahr rechnet die zweitgrößte evangelische Landeskirche mit einem ähnliches Niveau. Die hannoversche Landeskirche als Nummer eins wird das Jahr voraussichtlich mit einem Plus von 20 Millionen Euro abschließen. Dank entspannter Finanzlage will sie Sparvorgaben für die kommenden Jahre lockern.

Die Nordelbische Landeskirche nimmt 2010 mit 330 Millionen Euro etwa zehn Prozent mehr Kirchensteuer ein als 2009. Auch der Finanzverantwortliche der badischen Landeskirche, Hermann Rüdt, sagt: "Es sieht besser aus als noch vor kurzem befürchtet." Und die Evangelische Kirche in Hessen-Nassau (EKHN) plant für kommendes Jahr 400 Millionen Euro an Kirchensteuereinnahmen ein, elf Prozent mehr als in diesem Jahr.

Kirche teilt das Schicksal der Menschen

"Wir teilen das Schicksal der Menschen und der Volkswirtschaft - geht es den Menschen gut, geht es uns auch besser", sagt der Finanzchef der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thomas Begrich. Selbst Landeskirchen in wirtschaftlich weniger starken Regionen, etwa Mitteldeutschland und Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, können ihre Steuereinnahmen dank guter Konjunktur stabil halten - trotz sinkender Mitgliederzahlen. Ihnen geht es damit besser als noch zu Jahresbeginn erwartet.

Von insgesamt stabilen Einnahmen geht auch die katholische Kirche aus. "Wir rechnen zurzeit damit, dass die Kirchensteuereinnahmen 2010 knapp das Niveau 2009 erreichen werden, dieses lag bei 4,9 Milliarden Euro", sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp. Das Bistum Würzburg plant im laufenden Jahr mit 131 Millionen Euro - das sind sieben Millionen weniger als im Vorjahr, aber acht Millionen mehr als zunächst erwartet. Das Erzbistum Bamberg rechnete nach 126,7 Millionen Euro im Vorjahr für 2010 mit einem Minus von mehr als elf Prozent. Dank besserer Wirtschaftslage und guter Arbeitsmarktentwicklung beträgt der Rückgang nunmehr wohl lediglich vier Prozent, wie Vize-Finanzdirektor Mathias Vetter sagte.

Mehr Austritte wegen Missbrauchsskandals

Auch das Bistum Hildesheim erklärte, der befürchtete Kirchensteuereinbruch sei ausgeblieben. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart rechnet im laufenden Jahr mit einem Steuerrückgang von etwa fünf Prozent. Dazu dürften auch die hochgerechnet rund 20.000 Kirchenaustritte beitragen, die das Bistum für das Jahr registriert - auch wegen des Missbrauchsskandals. 2009 waren es 10.600. "Wir gehen davon aus, dass die Missbrauchstragödie für viele der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt", so Generalvikar Clemens Stroppel.

Die Kirchensteuer ist eine von mehreren Quellen zur Finanzierung der seelsorgerischen Arbeit der Kirchen. Sie beträgt in der Regel neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer, in einigen Bundesländern sind es acht Prozent. Die Abgabe wird vom Finanzamt eingezogen und an die Kirchen weitergegeben. Der Staat erhält für diesen Dienst etwa drei Prozent des Steuereinkommens. Nur etwa ein Drittel der knapp 50 Millionen Kirchenmitglieder in Deutschland zahlt Kirchensteuer. Kinder und Jugendliche ohne eigenes Einkommen, alte Menschen mit geringer Rente und Arbeitslose sind ausgenommen.

Nur jeder dritte zahlt Kirchensteuer

Zudem hat jeder Bürger das Recht, seinen Austritt aus einer Religionsgemeinschaft schriftlich beim Standesamt zu erklären - dann muss er auch keine Kirchensteuer mehr zahlen. Rechtliche Grundlage der Kirchensteuer sind die staatskirchenrechtlichen Artikel der Weimarer Verfassung, die 1949 unverändert in das Grundgesetz übernommen wurden. Solche Steuern dürfen nur Religionsgemeinschaften erheben, die vom jeweiligen Kultusministerium als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurden.

dpa