Schwarz-Gelb drückt Hartz-Reform gegen Opposition durch
Der Bundestag hat entschieden, doch das letzte Wort über die Hartz- IV-Reform und das Kinder-Bildungspaket ist noch nicht gesprochen. Schwarz-Gelb hofft, dass auch der Bundesrat in zwei Wochen mitzieht. Ein Vermittlungsverfahren scheint aber wahrscheinlicher.

Das umstrittene Gesetzespaket zur Neuregelung der Hartz-IV-Sätze mit einem Bildungspaket für bedürftige Kinder hat die erste von zwei Hürden genommen. Union und FDP setzten am Freitag in Berlin in einer turbulenten Sitzung die Vorlage von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrer Koalitionsmehrheit gegen die geschlossen auftretende Opposition durch.

Danach steigt der Hartz-IV-Regelsatz zum 1. Januar von 359 auf 364 Euro. Hinzu kommt ein Bildungspaket mit Schulessen, Schülertickets, Nachhilfe und Angeboten für Sport und Kultur, für das 740 Millionen Euro bereitstehen. Nun kommt es auf den Bundesrat an, ob das Gesetz fristgerecht noch vor Jahresende in Kraft treten kann.

Die SPD kritisierte das Ganze als völlig unzureichend, die Linkspartei hält die Regelsatz-Neuberechnung für verfassungswidrig. Die Kritiker hoffen auf Nachbesserungen im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag, sollte das Paket in der Länderkammer keine Mehrheit finden. Die kommt zur entscheidenden Sitzung am 17. Dezember in Berlin zusammen.

Das Saarland ist das Zünglein an der Waage

Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem von einer schwarz-gelb-grünen Koalition regierten Saarland zu. Das kleinste Flächenland könnte dem Paket mit einer Zustimmung doch noch durchs Ziel helfen. Die Grünen stellen dafür aber Bedingungen. "Wir wollen diese Hartz-IV-Reform in dieser Form nicht, wir wollen da deutliche Nachbesserungen", sagte Saar-Grünen-Chef Hubert Ulrich im Deutschlandradio.

Im Bundestag wurden bei der am Ende turbulenten Auseinandersetzung tiefe Gräben zwischen Koalition und Opposition deutlich. Dies zeigte sich im Abstimmungsergebnis: Es gab 302 Ja-Stimmen von Union und FDP und 255 Nein-Stimmen von SPD, Linken und Grünen. Enthaltungen gab es nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Berechnung der Regelsätze verworfen und eine Neuregelung bis zum Jahresende verlangt. Sollte die Länderkammer die Zustimmung verweigern und sich die Verabschiedung des Gesetzes durch ein Vermittlungsverfahren noch verzögern, können die Neuregelungen zum Jahreswechsel dennoch vorläufig in Kraft treten.

Von der Leyen forderte die Opposition in der Debatte vergeblich zur Unterstützung auf. "Ich lade Sie ein, den Weg der Chancen mitzugehen und nicht auf dem Holzweg der Ablehnung zu bleiben." "Kommen Sie mit ins Boot, machen Sie mit." Kritik am Verfahren wies sie zurück: "Soviel Transparenz wie heute war noch nie." Es sei "so sauber gerechnet worden, dass Ihnen die Argumente wegfliegen", sagte von der Leyen zu den Kritikern.

Die SPD sieht die Bildungsgelder fehlgeleitet

SPD-Chef Sigmar Gabriel konterte: "Wir können nicht in ihr Boot steigen, denn Sie schippern in die falsche Richtung." Er forderte von der Leyen zu einem Kurswechsel auf. Bessere Bildungschancen bekämen die Kinder aus bildungsfernen Schichten durch mehr Kindertagesstätten und Ganztagsschulen. Einzelmaßnahmen, mit denen das Geld nur vergeudet werde, fehle dann an entscheidender Stelle. Die SPD will deshalb das Vorhaben erst mal auf Eis legen.

Die Linke sprach von neuem Verfassungsbruch. Das Ganze sei nicht verfassungskonform, sondern "haushaltskonform zurechtgetrickst" und "grob ungerecht", kritisierte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi die neuen Hartz-IV-Sätze. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf der Koalition vor, den Kommunen und damit den Bedürftigen mit den jüngsten Sparbeschlüssen 6,5 Milliarden Euro entzogen zu haben. Im Vermittlungsverfahren gehe es daher darum, "die Bildungsinfrastruktur auszubauen". Die Grünen forderten, den Regelsatz auf 420 Euro zu erhöhen.

Die FDP wies dies zurück. Es gehe bei Hartz IV um Hilfe zur Selbsthilfe für Langzeitarbeitslose, sagte der Arbeitsmarktexperte der FDP-Fraktion, Heinrich Kolb. Die schwarz-gelbe Koalition repariere mit dem Gesetz nur vorangegangenes "fehlerhaftes rot-grünes Handeln".

dpa