TV-Tipp des Tages: "Mörderischer Besuch" (ZDF)
Jerusalem ist erfüllt von religiösen und historischen Mythen. Doch ehe an Pessach Frieden in die Heilige Stadt einkehrt, wird das Oberhaupt der Musikerfamilie brutal ermordet.
03.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Mörderischer Besuch", 6. Dezember, 20.15 Uhr im Zweiten

Die verstorbene Autorin Batya Gur gilt als Begründerin der noch jungen Tradition israelischer Kriminalromane. Im Vordergrund ihrer Bücher geht es um die Aufklärung von Kapitalverbrechen, doch hintergründig spielt immer auch die Geschichte des Landes eine Rolle, die traumatischen Erfahrungen der Juden in deutschen Konzentrationslagern, die aktuelle israelische Politik. Oft sind es nur Andeutungen, und darin liegt auch die Kunst der Roman-Adaptionen. Eine Bemerkung sagt ungeheuer viel über die Vorurteile zwischen Juden und israelischen Arabern; selbst wenn sie bloß beiläufig fällt. Allerdings kann von Beiläufigkeit keine Rede mehr sein, wenn man weiß, dass der Mann, der den Satz sagt, für die Jerusalemer Kriminalpolizei arbeitet; von seinen Ressentiments gegenüber Homosexuellen ganz zu schweigen.

Michael Ochjaon, Held einer ganzen Romanreihe, ist dagegen aus völlig anderem Holz geschnitzt. Für Heiner Lauterbach ist der Chefinspektor eine wunderbare Rolle, die er ganz entspannt und sehr reduziert verkörpert. Ein Baby vor Ochajons Tür lässt ihn bei der hübschen alleinerziehenden Nachbarin Nita (Liane Forestieri) klopfen, und da es in Krimis keine Zufälle gibt, entpuppt sich die Musikerin als Hauptfigur eines Mordfalls: Ihr Vater ist erstochen worden. Offenbar handelt es sich um Raubmord, denn ein wertvolles Gemälde ist gestohlen worden. Zuvor hatte der alte Mann Besuch von Nita und ihren Brüdern (Benjamin Sadler, Wilfried Hochholdinger). Der Abend endete im Streit über ein unbekanntes Requiem Vivaldis, das der Vater jahrzehntelang hütete; es hat ihm einst im Konzentrationslager das Leben gerettet.

Jorgo Papavassiliou hat das von Nils-Morten Osburg gemeinsam mit Produzent Hermann Kirchmann verfasste Drehbuch unaufgeregt verfilmt. Oft genügt eine Einstellung, um einen Sachverhalt anzudeuten, und mitunter genügt ein Schnitt, um die Geschichte geschmeidig und zügig weiterzuerzählen. Davon abgesehen lebt der Krimi von seinen Schauplätzen und den ausgezeichneten Schauspielern (unter anderem Hannelore Hoger als Freundin des Mordopfers und Bülent Sharif als arabischer Ex-Mann der Tochter). Anders als in vielen anderen Filmen ist auch die akustische Ebene restlos überzeugend: Wo es sonst oft Diskrepanzen zwischen deutschen Schauspielern und ihren synchronisierten ausländischen Partnern gibt, klingt hier alles wie aus einem Guss.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).