TV-Tipp des Tages: "Tatort: Familienbande" (ARD)
Zwei Todesfälle, ein Mord und eine verbotene Liebe: Im Grunde ist die Geschichte, um die es in diesem Kölner "Tatort" geht, nicht weiter kompliziert. Man ahnt rasch, dass der Tod des jungen Mark, der in einem Kühlraum erfroren ist, ein tragischer Unglücksfall war.
03.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Familienbande", 5. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten

Seltsamerweise ziehen die Kommissare Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) ein Unglück kaum in Erwägung. Selbst dem Vater des Kindes trauen sie zu, den eigenen Sohn ermordet zu haben; und das allein deshalb, weil der Junge die Wild- und Geflügelhändlerin Iris Findeisen (Anna Schudt), die Besitzerin des Kühlraum, sehr mochte. Marks Vater (Mark Waschke) kann sie hingegen nicht ausstehen, und dafür hat er einen guten Grund: Seine Frau (Katharina Lorenz) liebt Iris.

Aller sonstigen Liberalität zum Trotz ist die Reihe "Tatort" in sexuellen Dingen überraschend konservativ. Wer von der Norm abweicht, hat entweder Dreck am Stecken oder lebt nicht lange. Deshalb wird dieser Krimi eigentlich erst dann richtig interessant, als Iris Findeisen erschossen wird, denn im Gegensatz zum Tod des Jungen gibt es für diesen Mord eine ganze Menge Motive. Offenbar sind alle Dorfbewohner der Meinung, die Frau habe Unglück über den Ort gebracht. Der Besitzer des Wirtshauses würde gern auf ihrem Grundstück ein Hotel errichten. Die Freundin seines Sohnes ist eifersüchtig auf sie. Und der gehörnte Ehemann ist ohnehin der Hauptverdächtige, schließlich ist seine Frau kurz nach dem Verlust des gemeinsamen Kindes zu Iris gezogen.

Familiendramen sind Kölner Spezialität

Familiäre Dramen sind ja seit einiger Zeit so etwas wie das Spezialgebiet der Kölner "Tatort"-Redaktion. Auch dieses Drehbuch (Hans Werner, Peter Goslicki) demontiert fast genüsslich die Familie, deren gestörtem Beziehungsgeflecht der Film seinen Titel verdankt. Spannung entsteht vor allem aus der Frage, warum Irene Findeisen derart als "Teufel" verschrieen ist, aber davon abgesehen wirkt die Handlung durch die komplizierte Erzählweise mitunter konstruiert. Gerade das Verhalten der Ermittler ist zudem äußerst unglaubwürdig.

Ein kompletter Fremdkörper schließlich ist der Besuch von Schenks Tochter beim Arbeitsamt. Die Szene ist ausgezeichnet gespielt und inszeniert, weshalb sie sogar stärker berührt als der eigentliche Fall: Melanie (Karoline Schuch) ist aufgrund einer Schlamperei bei der Agentur um Geld gebracht worden, das ihr zusteht. Aber der Seitenstrang steht in keinerlei Beziehung zur eigentlichen Geschichte und wirkt, als habe einer der Autoren noch rasch ein Anliegen zur Sprache bringen wollen. Dabei ging es vermutlich allein darum, einen Auftritt für Melanie einzubauen.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).