Runder Tisch: Mehr Rechte für Missbrauchopfer
Ein Runder Tisch der Bundesregierung soll die vielen Fälle sexuellen Missbrauchs aufarbeiten, die in diesem Jahr bekanntwurden. Nun liegt der Zwischenbericht vor - mit vielen Vorschlägen. Das heikle Thema Entschädigung ist allerdings noch nicht gelöst.

Der Runde Tisch zu sexuellem Kindesmissbrauch will die Rechte von Opfern stärken. Das Gremium legte bei seinem dritten Treffen am Mittwoch in Berlin einen Zwischenbericht vor. Über Entschädigungsfragen soll erst im kommenden Jahr verhandelt werden. Die Missbrauchsbeauftragte des Bundes, Christine Bergmann, sprach sich erneut für eine ständige Anlaufstelle für Missbrauchsopfer ein. Die Grünen und Vertreter der Betroffenen kritisierten die Zwischenergebnisse.

Fachliche Standards zum Kinderschutz

Die zivilrechtliche Verjährungsfrist soll von drei auf 30 Jahre verlängert werden. Dies soll Opfern ermöglichen, ihre Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld auch noch lange nach der Tat geltend zu machen. Drei Jahre seien "eindeutig zu kurz", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Der Runde Tisch wird von Leutheusser-Schnarrenberger gemeinsam mit Bildungsministerin Annette Schavan und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU) geleitet.

Das Verschweigen, Vertuschen und Verdrängen habe ein Ende, erklärten die Ministerinnen und zogen eine positive Bilanz der bisherigen Arbeit. Sie hätten dem Runden Tisch auch von ihrem Treffen mit Opfern der DDR-Heimerziehung in Torgau berichtet. Der Runde Tisch will im kommenden Jahr auch Missbrauchsfälle in DDR-Institutionen behandeln.

Beschlossen wurden außerdem Standards zur Vorbeugung und Verhinderung von sexuellem Missbrauch in Schulen, Kindergärten und Vereinen sowie der Aufbau eines Forschungsnetzwerks, für das aus dem Forschungsetat 30 Millionen Euro bereitgestellt werden. Die Ministerinnen sicherten zu, mit der Umsetzung werde begonnen, noch bevor der Runde Tisch zum Abschluss komme.

Keine Vertuschung von Straftaten

Unter der Leitung von Leutheusser-Schnarrenberger ist ein Gesetzentwurf zur Stärkung der Rechte der Opfer erarbeitet worden. Neben der Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist zielt er auf mehr Schutz und Unterstützung für die Opfer in Strafverfahren. Minderjährigen Missbrauchsopfern sollen Doppelvernehmungen erspart und mehr Betroffenen Anwälte auf Staatskosten gestellt werden.

Umstritten sind in der zuständigen Arbeitsgruppe weiterhin die geplanten Leitlinien für die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden. Leutheusser-Schnarrenbergers Ziel ist eine Selbstverpflichtung, wonach Institutionen Informationen über Fälle möglichen Missbrauchs schnell an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Die Vertuschung von Straftaten soll so verhindert werden. Sie sei zuversichtlich, dass ihre Arbeitsgruppe sich bis Anfang 2011 verständigen werde, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Die Missbrauchs-Beauftragte Bergmann wiederholte ihre Forderung nach einer zentralen, ständigen Anlaufstelle für Opfer und mehr Unterstützung für die lokalen Beratungsstellen. Der Bedarf sei sehr hoch. Familienministerin Schröder sagte zu, sie werde sich für zusätzliche Mittel des Bundes einsetzen. Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig forderte eine dauerhafte Tätigkeit der Missbrauchsbeauftragten.

Abschlussbericht für Ende 2011 geplant

Die stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Ekin Deligöz, erklärte, der Zwischenbericht des Runden Tisches lasse viele Fragen offen, insbesondere die Entschädigungsfrage. Der Vertreter der Beratungsstelle Tauwetter am Runden Tisch, Thomas Schlingmann, nannte die Ergebnisse "ernüchternd". Es gebe zu wenige Beratungsstellen für männliche Opfer und die meisten Stellen seien unterfinanziert, weil den Kommunen das Geld fehle. Beim Thema Verjährung müsse zudem über längere Fristen auch im Strafrecht gesprochen werden.

Am Runden Tisch sitzen Vertreter der Bundesregierung sowie aus dem Bildungswesen, aus den Kirchen, Sozialverbänden und Opferverbänden zusammen, um über Konsequenzen aus den zahlreich bekanntgewordenen Fällen sexuellen Missbrauchs vor allem in der katholischen Kirche zu beraten. Das Gremium will seine Arbeit im kommenden Jahr fortsetzen und Ende 2011 einen Abschlussbericht vorlegen. In ihn sollen auch die Empfehlungen der Missbrauchsbeauftragten Bergmann einfließen, die ihre Halbjahresbilanz zur telefonischen Anlaufstelle in der vergangenen Woche vorgestellt hatte.

epd