Ein Besuch mit vielen großen und kleinen Gesten
In Israel sorgte Bundespräsident Christian Wulff für Aufsehen, weil er mit seiner Tochter die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem besuchte. Zum Abschluss traf Wulff auch die Palästinenserführung.
30.11.2010
Von Frank Rafalski

Am Ende seiner ersten Nahostreise als neues deutsches Staatsoberhaupt gab es für Christian Wulff noch einmal den ganz großen Bahnhof. Roter Teppich, militärische Ehren, die deutsche und palästinensische Nationalhymne: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas empfing den Gast aus Berlin am Dienstag mit allen Insignien eines unabhängigen Staates.

Dass dies eines Tages - neben einem Staat Israel - mit friedlichen Grenzen so sein möge, darum drehten sich die politischen Gespräche auch an diesem letzten Tag von Wulffs Nahost-Reise. Er hatte diese Station auch gewünscht, um wenige Wochen vor dem Weihnachtsfest die Geburtskirche Christi aufzusuchen. Der Dialog der Weltreligionen ist inzwischen zu einem Leitmotiv seiner Amtsführung geworden.

Besuch in der Geburtsgrotte

Abbas akzeptierte den Sonderwunsch. Er willigte ein, den Bundespräsidenten nicht an seinem Stammsitz in Ramallah zu empfangen, sondern in seiner in Bethlehem, wo er ebenfalls eine Residenz unterhält. Emotionaler Höhepunkt war für Wulff die Visite in der Geburtsgrotte, wo nach christlicher Überlieferung Jesus auf die Welt kam.

Begleitet von Franziskanern zogen sich Wulff und seine Tochter Annalena für einige Minuten zurück. Danach ging der Besuch mit Medienrummel weiter: Bad in der Menge deutscher Pilger, Besuch der Altstadt, Austausch von Freundlichkeiten mit arabischen Marktleuten. "Eine Stadt, die Frieden ausstrahlt", befand der Präsident. Dafür sorgten nicht nur die weiträumigen Absperrungen für den sonst üblichen Verkehr, sondern auch die Soldaten, die entlang den Straßen der präsidentiellen Autokolonne postiert waren. Es war der Abschluss einer Reise, die für Wulff gewissermaßen Neuland war.

"Als Lernender unterwegs"

In seiner Zeit als Ministerpräsident Niedersachsens hatte er diese für jeden deutschen Amtsträger heikelste außenpolitische Region gemieden. "Ich bin als Lernender unterwegs" - oft hat der 51-Jährige diesen Spruch in den ersten Monaten seiner Amtszeit geäußert. In Israel galt das ganz besonders. Dabei setzte der Bundespräsident - ganz politischer Profi - auch hier wieder auf die Macht der Symbolik: Mit seiner 17-jährigen Tochter Annalena in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem, bei der Kranzniederlegung am Grab des Zionismus-Begründers Theodor Herzl und im Zelt der Eltern des israelischen Soldaten Gilad Schalit, der seit vier Jahren von der islamistischen Hammas gefangen gehalten wird.

"Es ist der Beginn eines vertrauensvollen Verhältnisses", sagte Wulff zu Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. "Da kann Deutschland vielleicht einen kleinen Beitrag leisten, dass hier Bewegung kommt", sagte Wulff nach seinem Gespräch mit dem Hardliner an der Spitze der israelischen Regierung. Netanjahu selbst forderte sogar die Deutschen auf, eine "Schlüsselrolle" im Nahostkonflikt zu spielen.

Keine richtige Antwort

Auf dieses Drängen von Israelis und Palästinensern nach mehr Einfluss Deutschlands auf die Nahost-Entwicklung hatte Wulff keine so richtige Antwort. Praktische Politik ist Sache der Bundesregierung. Wulff vermeidet deshalb alles, was man als Versuch einer "Nebenaußenpolitik" interpretieren könnte: "Ich bin ein kleines Rädchen in einem großen Räderwerk."

Dass auch das "kleine Rädchen" etwas bewegen kann, konnte Wulff in Palästina aber auch verkünden. Kurzfristig unterzeichnete Abbas aus Anlass des Wulff-Besuchs eine Verfügung, mit der das deutsche Abitur an der evangelischen Talitha-Kumi-Schule, wo christlichen und muslimische Kinder gemeinsam zur Toleranz erzogen werden, der palästinensischen Hochschulreife gleichgestellt wird. Das war eine jahrelange Forderung der vom Berliner Missionswerk betriebenen 150 Jahre alten Einrichtung.

dpa