TV-Tipp: "380.000 Volt – Der große Stromausfall" (Sat.1)
Blackout in Berlin: Im tiefsten Winter legt ein Stromausfall die Hauptstadt lahm. Raub, Vandalismus und Vergewaltigungen sorgen für Angst und Schrecken.
29.11.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"380.000 Volt – Der große Stromausfall", 30. November, 20.15 Uhr auf Sat.1

Kein Wunder, dass sich die großen Energiekonzerne geweigert haben, die Produktion dieses Films zu unterstützen. Im Drehbuch von Christoph Darnstädt ("Die Patin") sind die Karten klar verteilt: Der Stromriese E-Kraft wird von einem Vorstand geleitet, der bei der Durchsetzung seiner Ziele über Leichen geht, und die Anlagen des Unternehmens sind verrottet, weil der Neubau eines Kraftwerks lukrativer wäre als die Instandhaltung alter Transformatoren. Viel faszinierender als die nicht immer zu durchschauenden technischen Details aber ist naturgemäß der "Blackout": Weil ein Teil des Versorgungssystems zusammenbricht, richtet Anja Radtke (Ann-Kathrin Kramer), Leiterin der Nachtschicht beim Berliner Energiekonzern E-Kraft, eine Umleitung ein, nicht ahnend, dass die entsprechenden Kapazitäten längst ausgelastet ist; der Chef vom Dienst der Tagesschicht hat ihr eine falsche Nachricht hinterlassen. Erst fällt bloß im Nordosten der Stadt der Strom aus, schließlich gehen in ganz Berlin die Lichter aus. Prompt kommt es zu Ausschreitungen und Plünderungen. Und da das Übergabeprotokoll verschwunden ist, muss die Ingenieurin den Ärger ganz allein ausbaden. Ein missgünstiger Kollege (Gode Benedix) und ein frauenfeindlicher Vorgesetzter (Michael Lott) machen ihr die Suche nach einer Lösung auch nicht gerade leichter. Auf ihrer Seite ist schließlich nur der Techniker Volanski (Tobias Oertel), der wie Anja ein Kontroll-Freak ist und sich bei seinen Kollegen unbeliebt macht, weil er alles doppelt und dreifach überprüft. Aber Volanski ist vor kurzem als angeblicher Saboteur entlassen worden.

"380.000 Volt – Der große Stromausfall" orientiert sich am Genre des Katastrophenfilms, fällt aber mehr als nur eine Nummer kleiner aus. Regie führt Sebastian Vigg, der für den Sat.1-Schwestersender ProSieben "Der Abgrund - Eine Stadt stürzt ein" inszeniert hat. Eindrucksvoll sind immer wieder die Bilder der im Dunkeln liegenden Stadt. Weniger gelungen sind dagegen die Versuche, die individuellen Folgen der Tragödie zu erzählen. Die Ausflüge zu einer Gartenlaube, in die sich Vater und Sohn geflüchtet haben, wirken wie Fremdkörper, selbst wenn Ernst-Georg Schwill und Arndt Schwering-Sohnrey das ungleiche Paar sehr schön spielen. Dramaturgisch besser eingebettet sind die Erlebnisse von Anjas 16jähriger Tochter (Sina Tkotsch), die nach einem Date mit ihrem älteren Freund (Florian Bartholomäi) allein durch die dunklen Straßen irrt. Richtig gut aber ist Tobias Oertel als einsamer Held, der sich unerschrocken allen Herausforderungen stellt. Er findet mehr und mehr Gefallen an der mutigen Ingenieurin, erst recht, als sie an seiner Seite einen tollkühnen Plan umsetzt; aber beide haben nicht mit der Skrupellosigkeit des E-Kraft-Chefs (Rolf Kanies) gerechnet, der ein finsteres Komplott eingefädelt hat.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).