Wikileaks-Coup: Deutsche Politiker kommen schlecht weg
Wie werden Politiker anderer Länder in Washington tatsächlich gesehen? Die Veröffentlichung Hunderttausender klassifizierter Diplomaten-Dossiers durch Wikileaks gewährt Einblicke. Darunter findet sich Peinliches und Pikantes.

Der amerikanischen Diplomatie dürfte eine unangenehme Woche bevorstehen: Nach Beginn der Veröffentlichung von über 250.000 vertraulichen diplomatische US-Depeschen durch die Internetplattform Wikileaks sollen in den nächsten Tagen noch mehr der Dokumente ins Netz gelangen. "New York Times" und "Spiegel Online" wollten im Laufe der Woche in Fortsetzung über Inhalte berichten, meldeten beide Medien am Sonntag.

Kanzlerin Merkel "selten kreativ"

Was bisher bekanntwurde, enthüllt wenig schmeichelhafte Urteile der Amerikaner über Politiker in aller Welt - und auch über die deutschen Partner. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bescheinigten sie, "selten kreativ" zu sein und das Risiko zu meiden.

Die US-Regierung verurteilte den jüngsten Coup der Internet- Aktivisten am Sonntag aufs Schärfste. Er sei "rücksichtslos" und "gefährlich", erklärte der Sprecher von Präsident Barack Obama, Robert Gibbs. Die Publikation der vertraulichen und teils geheimen Dokumente gefährde weltweit Regimekritiker und Oppositionsführer, die im Kontakt mit amerikanischen Diplomaten stünden.

Woher die Enthüllungs-Website, die am Sonntagabend durch eine umfassende Daten-Attacke unbekannter Herkunft kurzfristig lahmgelegt wurde, die Datensätze hat, ist nicht bekannt. Laut "Spiegel" stammen 90 Prozent der Dokumente aus der Zeit seit 2005. Nur sechs Prozent seien als "geheim" eingestuft, 40 Prozent als "vertraulich".

Weltweit hatten sich Regierungen auf die Veröffentlichung vorbereitet. Die USA warnten ihre Partner - auch Deutschland - vor. Der US-Botschafter in Deutschland, Philip Murphy, rechtfertigte die Einschätzungen seiner Kollegen als normale diplomatische Arbeit.

Westerwelle "aggressiv"

Wie aus den veröffentlichten Dokumenten aus der Berliner US-Botschaft hervorgeht, beurteilten die Amerikaner vor allem Außenminister Guido Westerwelle kritisch. Kurz vor der Bundestagswahl im September 2009 heißt es laut "Spiegel" in einer Einschätzung Murphys zu dem FDP-Chef: "Er wird, wenn er direkt herausgefordert wird, vor allem von politischen Schwergewichten, aggressiv und äußert sich abfällig über die Meinungen anderer Leute."

Wenig Lobendes haben die US-Diplomaten dem Magazin zufolge auch über die Kanzlerin zu berichten. Vor einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama im April 2009 hätten sie nach Washington gemeldet, Merkel sei "bekannt für ihren Widerwillen, sich in aggressiven politischen Debatten zu engagieren".

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer gilt laut "Spiegel" bei den Amerikanern als Populist. Außenpolitisch sei er weitgehend ahnungslos. Bei dem Wechsel des ehemaligen baden- württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger nach Brüssel sei es nach US-Ansicht darum gegangen, "eine ungeliebte lahme Ente von einer wichtigen CDU-Bastion zu entfernen".

"Alpha-Rüde" Putin

Aus den Dokumenten geht auch hervor: Der afghanische Präsident Hamid Karsai wird als "schwache Persönlichkeit" beschrieben, die von "Paranoia" und "Verschwörungsvorstellungen" getrieben werde. Russlands Premierminister Wladimir Putin werde als "Alpha-Rüde" bezeichnet, als dessen "Sprachrohr" in Europa zunehmend Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi erscheine. Russlands Präsident Dmitri Medwedew sei dagegen "blass" und "zögerlich". Neben "Spiegel" und "New York Times" veröffentlichten auch der britische "Guardian", die französische "Le Monde" sowie "El País" aus Spanien ihre Analysen des Materials zeitgleich im Internet.

In den Akten finde sich aber auch viel Klatsch und Berichte vom Hörensagen. Über den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi heiße es da, er reise praktisch nicht mehr ohne die Begleitung einer vollbusigen ukrainischen Krankenschwester. Und Medwedews Ehefrau Swetlana soll "schwarze Listen" über Amtsträger angelegt haben, die ihrem Mann gegenüber nicht hinreichend loyal seien.

Israel und arabische Staaten drängten auf Iran-Angriff

Ein Schlaglicht wird in den Dokumenten auch auf schwierige politische Prozesse, etwa im Iran geworfen. So hätten Israel genauso wie arabische Verbündete die USA zu einem Militärschlag gegen den Iran gedrängt. Der saudische König Abdullah habe verlangt, "der Schlange den Kopf abzuschlagen". Staaten wie Bahrain und Ägypten hätten ähnliche Einschätzungen vertreten, enthüllte der "Guardian".

Nach Darstellung der britischen Zeitung haben die USA sogar versucht, die Führung der Vereinten Nationen auszuspionieren.

dpa