Winnenden-Opfer rügen Verlauf von Amoklauf-Prozess
Angehörige von Opfern des Amoklaufs in Winnenden kritisieren den Verlauf des Prozesses gegen den Vater des Täters. Dem Nachrichtenmagazin "Focus" zufolge beklagen mehrere Familien in einer schriftlichen Stellungnahme, einige Zeugen verhinderten bewusst die Aufklärung des Blutbads vom 11. März 2009 durch Schweigen oder widersprüchliche Angaben.

 Die Zeugen wollten erreichen, "dass alles möglichst im Dunkeln bleibt" und "sich raushalten aus Unannehmlichkeiten", schreiben die Angehörigen. Ein Vertreter der Nebenklage, der Waiblinger Rechtsanwalt Jens Rabe, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Die menschliche Seite gerät aus dem Blickfeld." Tim K. hatte 15 Menschen und sich selbst erschossen. Sein Vater, ein Sportschütze, steht wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht. Die Tatwaffe lag unverschlossen im Schlafzimmerschrank.

Empört sind die Hinterbliebenen insbesondere wegen der Aussage einer Seelsorgerin, die die Familie des Täters in den Wochen nach dem Amoklauf betreut hatte. Zunächst hatte sie vor Gericht erklärt, die Eltern hätten frühzeitig von den "Hass- und Tötungsfantasien" ihres Sohnes gewusst, später zog sie die Aussage zurück. Der Vorsitzende Richter legte im Prozess nahe, dass die Zeugin nach ihrer ersten Aussage unter Druck - etwa von der Familie - geraten sein könnte.

Die Staatsanwaltschaft leitete gegen die Betreuerin ein Strafverfahren wegen versuchter Strafvereitelung und des Verdachts auf Falschaussage ein. Die Polizei durchsuchte ihre Wohnung, nahm Unterlagen und PC mit. Gesucht wurde nach Beweisen, die belegen, dass die Seelsorgerin beeinflusst worden sein könnte. Dem Vernehmen nach ist mit einem deutlichen Ergebnis zu rechnen.

Rabe beklagte, dass sich der Vater dem Prozess und damit seiner Verantwortung entziehe. Der 51 Jahre Unternehmer blieb der Verhandlung zunächst krankheitsbedingt fern. Ende Oktober entschied das Gericht auf Antrag der Verteidigung, seine Anwesenheit sei entbehrlich. Dies wollen die Hinterbliebenen nicht länger hinnehmen.

dpa