Religionsfreiheit als Menschenrecht
Präses Nikolaus Schneider hat die islamische Gemeinschaft in Deutschland aufgefordert, mehr gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. „Ich wünsche mir durchaus muslimische Kindergärten – die dann aber allen offen stehen“, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei einer Podiumsdiskussion über Religionsfreiheit in der Evangelischen Studierendengemeinde Trier. Die Muslime in Deutschland seien herausgefordert, einen europäischen und akademischen Islam auszubilden, der sich dem Grundgesetz verpflichtet fühle so der Theologe weiter. „Die Basis unserer Verfassung ist nicht verhandelbar“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. An dem Gespräch, zu dem das Ökumenische Instituts für interreligiösen Dialog an der Universität Trier eingeladen hatte, nahmen Vertreter von Juden, Bahai sowie katholischer und evangelischer Kirche teil. Ein muslimischer Vertreter war kurzfristig verhindert.
26.11.2010
Von Christoph Urban

Dem Trierer Bischof Stephan  Ackermann  lag es daran, die Grenzen der Religionsfreiheit zu bestimmen. „Dort wo Religionsfreiheit dazu in Anspruch genommen wird, um andere Religionen zu diffamieren, ist die Grenze der Religionsfreiheit erreicht“, sagte der Bischof. Ackermann nannte das Beispiel der Debatte um die Mohammed-Karikaturen, bei der versucht worden sei, die Meinungsfreiheit gegen die Religionsfreiheit auszuspielen. Die Gesellschaft brauche Überzeugungen und Werte, sagte Ackermann, die aber nicht verordnet werden könnten. „Die Religionen sind hier wichtige Ressourcen“, so der Bischof weiter. Er sei für einen „lebendigen und fairen Wettstreit der Religionen“, betonte Ackermann.

Der jüdische Rabbiner Gérald Rosenfeld aus Thionville mahnte Sensibilität in der Sprache an. Respekt vor dem Nächsten sei mehr als Toleranz. Rosenfeld wies darauf hin, dass das Judentum auch in Deutschland in seiner Religionsfreiheit bedroht sei. „Leider ist dies eine Aktualität“, so der Rabbiner. Es gebe keine jüdische Gemeinde ohne Sicherheitsschleusen. Positiv würdigte Rosenfeld, dass wieder jüdische Rabbiner in Deutschland ausgebildet würden und den jüdisch-christlicher Dialog. „Da wird eine wichtige Arbeit geleistet“, sagte er.

Professor Ingo Hofmann von der monotheistischen Religion der Bahai machte darauf aufmerksam, dass die Religionsfreiheit seiner Gemeinschaft vor allem in ihrem Ursprungsland, dem Iran bedroht sei. Daher betone seine Religion die individuelle Religionsfreiheit sehr. Dazu gehöre auch, dass man seine Religion ungehindert kundtun dürfe. „Mein Gegenüber muss es aushalten, das meine Sicht auf die Wahrheit nicht die seine ist“, sagte Hofmann. Religionsfreiheit sollte ein identitätsstiftendes Merkmal in Europa sein und über kulturellen Identitäten stehen. Etwa 6000 Bahai gebe es in Deutschland, so der Professor.

Professor Walter-Andreas Euler machte darauf aufmerksam, dass Religion und Kultur eng miteinan-der verbunden seien. „In weiten Teilen der Welt ist beides sogar praktisch untrennbar und ununterscheidbar miteinander verknüpft“, sagte der katholische Fundamentaltheologe an der Theologischen Fakultät Trier. Die Moderne habe ein Religionsverständnis hervorgebracht, nach dem sich Religion auf ein Segment der Lebenswirklichkeit beziehe, das von anderen Gesellschaftsbereichen wie Politik, Rechtswesen, Wirtschaft, Kunst oder Wissenschaft klar getrennt sei. Der Wissenschaftler betonte: „Nur auf der Basis eines solchen Religionsverständnisses ist es möglich, dass Menschen mit verschiedenen religiösen Bekenntnissen friedlich und gleichberechtigt miteinander in einem Staat zusammenleben können.“ Zugleich hätten die Gläubigen eine „moralische Pflicht“, die wahre Religion zu suchen und aus ihr zu leben, sagte der Theologe. Die bezeichnete Spannung gelte es auszuhalten, so Euler weiter.