Es ist ziemlich einfach, mich auf 180 zu bringen. Und die einfachste Methode ist, mir diesen saublöden Satz zu sagen: "Entspann dich!" Erstens ist die Ansage so paradox wie "Schlaf doch ein" oder "Träum was Schönes". Es gibt zum Glück in unserem Großhirn versteckte Areale, die dem selbstbestimmten Willen nicht unterworfen sind. Und zweitens sagen diesen Satz meistens Menschen, die einem unmittelbar zuvor die Zeit oder die Nerven gestohlen haben. Da ist man dann schon mal verspannt. Auf "Entspann dich!" gibt es daher nur eine adäquate Antwort. "Verpiss dich!"
Daran musste ich denken, als diese Woche eine groß angelegte Studie des Kölner "rheingold"-Insituts und des Babymilch-Herstellers Milupa durch die Medien ging. Deutsche Mütter, so das Ergebnis, sind "weit entfernt vom gesellschaftlichen Anspruchs-Ideal der entspannten Mutter". Ja, wie auch? Schon das Ideal ist nicht nur ungerecht. Es ist total unrealistisch.
"Entspannt" läuft's nur in der Werbung
Mütter, so die Forscher, leiden an der Überforderung, liebende Mütter und zugleich attraktive, erfolgreiche Frauen zu sein. Stimmt, das ist ja auch viel, der Tag hat ja auch für uns nur 24 Stunden. Davon gehen – bei mir jedenfalls – geschätzte zehn für das Thema eins, "erfolgreich", drauf, geschätzte fünf für das Thema zwei, "liebende Mutter", so lange sehe ich werktags meine Kinder in wachem Zustand. In den verbleibenden neun Stunden versucht unsereins so attraktiv wie möglich zu sein, aber manchmal stört dabei Thema eins, das Erfolgreichsein. Das Handy klingelt oder man steht mit dicken Wollmützen an kalten ICE-Bahnhöfen. Das macht hässlich und unattraktiv.
Und manchmal funkt auch Thema zwei dazwischen, auch Kinder rauben einem schon mal außerhalb der vorgesehenen "quality time" den Schönheitsschlaf, manchmal auch nachts um drei, weil sie mit geschwollenen Mandeln oder Monster-Alpträumen am Elternbett stehen. Geht alles, es ist wunderbar, das Leben der modernen Mutter. Aber entspannt?
Entspannt ist es nur in der Milupa-Werbung. Unter www.milupa-mama-werden.de ist alles ganz toll. Die Kapitel heißen "Zeit für mich: Schön und entspannt" oder "Meine Familie: Liebe und Glück". Böse Mama, die nicht glücklich und entspannt ist. Gar keine Milupa-Mama. Und jetzt, bescheuerte Werbung, verpiss dich!
Über die Autorin:
Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon und Chefredakteurin von evangelisch.de. Sie hat auch eine Homepage: www.ursulaott.de.