Mit dem Urteil blieb die Klage des Landes Sachsen-Anhalt erfolglos. Das Bundesverbraucherministerium wertete die Entscheidung als Bestätigung seiner bisherigen Politik (1 BvF 2/05). Sachsen-Anhalt hatte vor dem höchsten deutschen Gericht geklagt, weil es die im Gesetz formulierten strengen Auflagen für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen für verfassungswidrig hielt. Kritisiert wurden etwa Vorschriften zum Standortregister und zur Haftung der Landwirte.
Dem Urteil des höchsten deutschen Gerichts zufolge muss der Bundesgesetzgeber das Gentechnik-Recht umfassend regeln, da die Gentechnik in die "elementaren Strukturen des Lebens" eingreife und die langfristigen Folgen noch nicht abschließend geklärt seien.
Vizepräsident Ferdinand Kirchhof sagte bei der Urteilsverkündung, das Standortregister schränke das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie in die Berufs-, Eigentums- und Wissenschaftsfreiheit ein. Dies sei "jedoch durch legitime Gemeinwohlziele hinreichend gerechtfertigt". Auch die strengen Regelungen der Berufsausübung seien mit Blick auf die Rechte Dritter und den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Umwelt legitim, so Kirchhof.
Die Sicherheit von Mensch und Umwelt hat Vorrang
Das 2004 von der damaligen rot-grünen Bundestagsmehrheit novellierte Gesetz regelt das Nebeneinander von herkömmlichen Nutzpflanzen und gentechnisch veränderten Organismen. Die jetzige schwarz-gelbe Bundesregierung sieht durch das Urteil das deutsche Gentechnik-Gesetz bestätigt. Die Sicherheit von Mensch und Umwelt habe Vorrang vor allen ökonomischen Erwägungen, sagte Staatssekretär Robert Kloos. Die Biotechnologie sei aber auch eine wichtige Zukunftsbranche. Die Regelungen zur grünen Gentechnik seien auf der Basis des bestehenden Gentechnikgesetzes weiterzuentwickeln.
Das Urteil bringe Planungssicherheit für Politik und Landwirtschaft, sagte Andreas Schaper von der Landesregierung Sachsen-Anhalt. Für Deutschland bedeuteten die jetzt bestätigten strengen Regelungen des Gesetzes jedoch einen Standortnachteil.
Naturschutzverbände sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft begrüßten das Urteil. Es sei eine "Abmahnung für die Befürworter einer genmanipulierten Landwirtschaft", erklärte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die höchstrichterliche Bestätigung der Haftung bei gentechnischen Verunreinigungen von Nachbarfeldern sei ein großer Erfolg. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen die Existenz konventionell und ökologisch wirtschaftender Landwirte gefährde.
Der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, sagte, die Karlsruher Richter hätten "klare Maßstäbe für den Schutz einer gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung gesetzt".
Bauernverband rät vom Anbau genetisch verändertert Pflanzen ab
Der Gentechnik-Branchenverband "BIO Mitteldeutschland" nahm das Urteil mit Enttäuschung auf. Eine Entscheidung zugunsten der Klage wäre ein wichtiges Signal für die Branche gewesen, weil damit eine überproportionale Belastung der Anbauwilligen bei der Haftung anerkannt worden wäre, sagte Geschäftsführer Jens Katzek dem epd. Viele Landwirte und Forscher wollten und könnten sich nach eigenen Angaben unter den Bedingungen des geltenden Gesetzes nicht bei der pflanzlichen Biotechnologie engagieren. Dem Verband gehören etwa 15 Firmen und Institutionen der "grünen" und auch "roten" Gentechnik an.
Der Deutsche Bauernverband erklärte, angesichts der Karlsruher Entscheidung zur Haftungsfrage könne er den Landwirten weiterhin nur vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen abraten. Die verschuldensunabhängige Haftungsregelung beinhalte die Landwirte trotz gesetzeskonformen Verhaltens unkalkulierbare und nicht versicherbare Risiken.
Als gentechnisch verändert werden Organismen bezeichnet, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder in der Natur auftretende Vermischung des Erbguts nicht vorkommen.