Benedikt hatte sich für die Verwendung von Kondomen in Einzelfällen bei der Bekämpfung von Aids ausgesprochen. Bereits die Papstreise nach Kamerun und Angola sei in der Öffentlichkeit allein wegen Papstäußerungen über Aidsprävention wahrgenommen worden, kritisierte Fisichella. Sexualität könne jedoch nur im Rahmen von Ehe begriffen werden. Der Autor des Buchs, Seewald, nannte die Konzentration auf die Kondomfrage "lächerlich". Sie sei ein Zeichen dafür, dass der Journalismus sich in einer Krise befinde.
Vatikansprecher Federico Lombardi wies bei der Präsentation darauf hin, dass es sich bei den unterschiedlichen Sprachfassungen des Wortes "Prostituierter" in internationalen Ausgaben, die zeitgleich mit der deutschen erscheinen, angeblich um "Übersetzungsfehler" handle. Der Papst hatte in der deutschen Fassung nur von Kondomen für männliche Prostituierte gesprochen.
"Das Böse war in der Kirche"
In dem neuen Buch gibt Benedikt neben der Frage nach der Billigung von Kondomen Antworten rund um kirchliche, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Themen. Im Fall der traditionalistischen Pius-Bruderschaft erklärt er, dass er die Exkommunikation für Bischof Richard Williamson nicht aufgehoben hätte, wenn er gewusst hätte, dass dieser die Existenz der Gaskammern unter den Nazis leugnete: "Dann hätte der Fall abgetrennt werden müssen."
Im Vatikan habe jedoch "niemand im Internet nachgeschaut und wahrgenommen, um wen es sich hier handelt". Williamson sei überdies direkt von den Anglikanern zu den Traditionalisten übergewechselt ohne zuvor Mitglied der katholischen Kirche zu werden.
Veränderte Mentalität
Benedikt führt in seinen Antworten den Umfang des sexuellen Missbrauchs auf eine seit den 1960er Jahren veränderte Mentalität auch in der Kirche zurück, die nicht mehr an das Böse an sich, sondern eher an mehr oder weniger gute Handlungen geglaubt habe. In den Medien habe es zahlreiche negative Schlagzeigen über Pädophilie in der Kirche geben können, "weil das Böse in der Kirche war".
Hinsichtlich der Berichterstattung beobachtet das Kirchenoberhaupt in dem Buch eine "Freude, die Kirche bloßzustellen und zu diskreditieren". Sorge äußert der Papst in dem Buch über die Zukunft des Menschen angesichts des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, der die Umwelt zu zerstören drohe. Die Macht des Menschen sei gewachsen. "Was nicht mitwuchs, war sein ethisches Potenzial."
Ökumenischer Dialog "erschwert"
Im Hinblick auf Themen wie Pflichtzölibat, Frauenpriestertum, Homosexualität und Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene bekräftigt der Papst in dem Buch seine bisherigen Aussagen. Bei der Frage der Ökumene äußert er sich optimistisch über den Dialog mit den Orthodoxen, die die "gleiche altkirchliche Grundstruktur" hätten wie die Katholiken.
Die Ökumene mit den Protestanten sieht das Kirchenoberhaupt in dem Buch aufgrund der wachsenden Vielfalt der Gesprächspartner kritisch. "Das Luthertum ist ja nur eines der Teile des Spektrums des Weltprotestantismus." Frauenordination und die Akzeptanz homosexueller Partnerschaften hätten die evangelischen Gläubigen von den katholischen entfernt und erschwerten den Dialog.
Das im deutschen Original im Herder-Verlag erschienene Buch basiert auf sechs Stunden Interview, die Seewald in der ersten Juliwoche in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo mit dem Kirchenoberhaupt führte. Seewald hatte zuvor bereits Interviewbücher mit Kardinal Joseph Ratzinger vor seiner Papstwahl veröffentlicht.