Nach den jüngsten Warnungen vor islamistischen Terroranschlägen hat die Polizei am Montag die Kuppel des Berliner Reichstags gesperrt. Zugleich wurde der Polizeischutz rund um das Gebäude nochmals ausgeweitet, die Sitzungen des Bundestages sollen aber plangemäß stattfinden. Die Bundespolizei verschärfte ihre Kontrollen an den Grenzen zu den Niederlanden und Belgien. In Bayern wurden die verdachtsunabhängigen Überprüfungen im Zuge der Schleierfahndung ausgeweitet. An der deutsch-polnischen Grenze in Sachsen rollte der Verkehr am Montag ungehindert.
Die Behörden rüsten sich damit für einen möglichen Anschlag islamistischer Terroristen. Nach verschiedenen Hinweisen könnte ein Sturmangriff auf den Reichstag oder ein Bombenattentat etwa auf einen Weihnachtsmarkt geplant sein. Laut "Spiegel" hat die US-Bundespolizei FBI Erkenntnisse, dass zwei Terroristen am Montag in den Vereinigten Arabischen Emiraten ankommen, neue Papiere erhalten und nach Deutschland weiterreisen sollten. Visa für den grenzfreien EU- Schengen-Raum hätten sie bereits.
Regierung: Medienberichte sind "unverantwortliche Spekulationen"
Die Bundesregierung will mit näheren Informationen zur aktuellen Terrorgefahr zurückhaltend umgehen. "Es gibt schon viel zu viele Spekulationen im Land", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern arbeiteten "insgesamt mit Hochdruck und großer Intensität". Derzeit seien etwa 1000 Personen im Blickfeld. Darunter seien etwa 130 "Gefährder", die politische Straftaten mit erheblicher Bedeutung begehen könnten.
Angesichts der Medienberichte über mögliche Anschlagszenarien sprach Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) von "unverantwortlichen Spekulationen", an denen er sich nicht beteilige. "Spekulationen haben selbst eine psychologische Wirkung, sie verselbstständigen sich. Sie dienen auch dazu, Angst zu verbreiten", sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will".
Den Berliner Reichstag dürfen jetzt nur noch angemeldete Besuchergruppen besichtigen. Auch die Dachterrasse wurde gesperrt, wie die Pressestelle des Bundestages mitteilte. Es gebe auch "innere Sicherheitsmaßnahmen". Die Sitzungen des Bundestages fänden "aber selbstverständlich statt", sagte ein Sprecher. An diesem Dienstag beginnen die Haushaltsberatungen, ihr Höhepunkt ist die Beratung des Kanzleretats am Mittwoch.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, die Kontrollen und sonstigen Maßnahmen am Reichstag seien "in erheblichem Umfang" verstärkt worden. Er verwies auf zusätzliche Sperren und 60 Polizisten rund um das Gebäude. Bereits seit Donnerstag ist das Reichstagsgebäude mit Absperrgittern zusätzlich gesichert.
Polizei führt sich mangelhaft vorbereitet
Nordrhein-Westfalen verstärkte seinen Terror-Schutzschirm gegen Islamisten. Die Bundespolizei weitere ihre Kontrollen an den Grenzen zu den Niederlanden und Belgien aus. Beamte überprüfen auch Reisende im internationalen Bahnverkehr. "Es ist mehr Personal im Einsatz als normal", sagte der Leiter der Inspektion Aachen, Ludger Intorp. An den Bahnhöfen seien Sprengstoffspürhunde im Einsatz. Diese suchten auch Gepäckschließfächer ab. Auf den Autobahnen würden Autofahrer vereinzelt aus dem fließenden Verkehr herausgefischt.
Zugleich nehmen die Sicherheitsbehörden verschärft regionale Islamistenzentren in den Blick. Dazu zählten Netzwerke im Ruhrgebiet sowie in den Räumen Köln-Bonn, Aachen und Wuppertal, teilte eine Sprecherin des Düsseldorfer Innenministeriums mit. In Hamburg rief Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) bei der Eröffnung des traditionellen Weihnachtsmarkts vor dem Rathaus zu Wachsamkeit auf.
Der designierte Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, beklagte im "Hamburger Abendblatt" (Montag) mangelnde Vorbereitungen auf einen möglichen Terroranschlag. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, kritisierte im ARD-"Morgenmagazin" die geplanten Kürzungen bei der Bundespolizei. Auch de Maizière dringt auf einen geringeren Personalabbau. Ursprünglich sollten bis 2014 bei der Bundespolizei 1.000 Stellen wegfallen.