Zunehmende Bedenken gegen Hartz-IV-Reform
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze ist nach Gewerkschafts-Einschätzung verfassungsrechtlich bedenklich.

Der Gesetzentwurf lasse wesentliche Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar außer Acht, heißt es in einer Stellungnahme des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes für eine Anhörung im Sozialausschuss des Bundestages am Montag. Auch in der DGB-Stellungnahme für den Ausschuss werden Zweifel geäußert, ob die geplanten Regelungen verfassungskonform sind.

Nach Informationen der "Passauer Neuen Presse" (Samstagsausgabe) heißt es in der Stellungnahme des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die Neuberechnung der Regelbedarfe für Erwachsene und Kinder sei nicht realitätsgerecht. Nach Berechnungen des Verbandes müsse der Regelsatz für Erwachsene 416 statt wie geplant 364 Euro betragen. Das setze aber voraus, dass die Möglichkeit einmaliger Leistungen für größere Anschaffungen wieder eingeführt wird.

DGB: "Keine tragfähige Basis zur Vermeidung von Armut"

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte Ende September vereinbart, den monatlichen Regelsatz für die 6,7 Millionen Hartz-IV-Empfänger um fünf Euro anzuheben. Die gleichbleibenden Geldleistungen für Kinder und Jugendliche sollen durch eine Bildungsförderung ergänzt werden. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts, das die Berechnung der Regelsätze im Februar beanstandet hatte, muss die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze zum Jahresanfang 2011 in Kraft treten. Für die Reform brauchen Union und FDP die Zustimmung der SPD-geführten Länder im Bundesrat.

Wie der Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe) berichtet, wird der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auch aus Sicht des DGB dem Urteil der Verfassungsrichter nicht gerecht und bildet "keine tragfähige Basis zur Vermeidung von Armut, insbesondere von Kinderarmut". Das Verfahren zur Ableitung der Regelsätze sei nicht ausreichend transparent, außerdem gebe es "teils fragwürdige normative Entscheidungen". So sei nicht nachvollziehbar, warum Hartz-IV-Empfänger nicht im geringen Maß Alkohol und Zigaretten konsumieren sollen.

Evangelische Jugend fordert bedarfsgerechte Regelsätze

Auch der hessische Sozialrichter Jürgen Borchert hält die neu berechneten Sätze für verfassungswidrig. "Die Vorgabe des Verfassungsgerichts, den Regelbedarf transparent und nachvollziehbar zu ermitteln, wurde nicht erfüllt", sagte er der Tageszeitung "Die Welt". Borchert war in vorangehender Instanz maßgeblich am entscheidenden Hartz-IV-Verfahren beteiligt, das bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts führte. Der hessische Sozialrichter warf der Regierung vor, die Regelsätze aus fiskalischen Gründen passend gerechnet zu haben.

Auch aus Sicht der Evangelischen Jugend sind die geplanten Änderungen der Hartz-IV-Gesetze nicht geeignet, Kinder- und Jugendarmut wirksam zu verhindern. Ohne Erhöhung der Regelsätze könnten Jugendliche nicht in geeigneter Weise am sozialen und kulturellen Leben teilhaben, heißt in der Abschlusserklärung der 121. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (aej) in Plön. Das höchste Gremium des evangelischen Jugendverbandes forderte die Bundesregierung am Sonntag auf, bedarfsgerechte Regelsätze zu beschließen.

epd