TV-Tipp: "Nachtschicht: Das tote Mädchen" (ZDF)
Im mittlerweile achten Film der Reihe sind die Hauptfiguren etwas in ihren Konventionen erstarrt, sie fallen kaum noch aus ihrer Rolle. Die Dialoge klingen alltagsfremd - und seltsam künstlich.
21.11.2010
Von Tilmann P. Gangloff

Montag, 22.November: "Nachtschicht: Das tote Mädchen", ZDF, 20.15 Uhr

Zumindest unter den Fernsehfilmemachern gibt es wohl niemanden, der ähnlich amerikanisch dreht wie Lars Becker. Gerade seine "Nachtschicht"-Reihe erinnert an die Großstadtwestern der Achtzigerjahre, als Regisseure wie Walter Hill ("Straßen in Flammen") das Genre aus den Weiten der Prärie in die Straßenschluchten der Metropole verpflanzten. Im mittlerweile achten Film der Reihe sind die Hauptfiguren allerdings etwas in ihren Konventionen erstarrt, sie fallen kaum noch aus ihrer Rolle. Selbst die Dialoge klingen alltagsfremd und daher seltsam künstlich. Im Gegensatz zu früheren Geschichten verzichtet Becker (Buch und Regie) in dem Film "Das tote Mädchen" auch darauf, mehrere Erzählebenen kunstvoll miteinander zu verknüpfen; das hatte der Reihe einen großen narrativen Reichtum gegeben. Diesmal gibt es bloß ein Verbrechen, aber immerhin mehrere Täter; selbst wenn ihr Vergehen zum Teil nur in der Passivität lag.

Schlüsselfigur der Geschichte ist Bankier Winterstein, den Jürgen Prochnow sehr kantig spielt. Seinen besten Auftritt hat der Hollywood-Schauspieler in der Vernehmungsszene, als er mit Kriminalpsychologin Brenner (Barbara Auer) Katz und Maus spielt; wobei die Rollen munter wechseln. Obwohl sich Winterstein aus der Affäre zieht, ist klar, dass er in irgendeiner Form an der Ermordung eines Luxus-Callgirl beteiligt war. Die Russin wurde erst erschossen und dann samt Auto ertränkt. Der Mörder war offenbar der geheimnisvolle "Klient Nummer sieben".

"Ein Loch in der Seele"

Ihr Zuhälter scheidet als Täter zwar ohnehin aus, macht aber keine besonders gute Figur, ganz im Gegensatz zu seinem Darsteller: Dietmar Bär verkörpert die Rotlichtgröße mit offenkundiger Lust, mal in eine Rolle zu schlüpfen, die keinerlei Verwandtschaft mit seinem Kölner "Tatort"-Kommissar aufweist. Allein die roten Ohren von Dicky Mangold, die verschiedenen Geschichten, die er dazu erzählt, und die tatsächliche Ursache sind ein Vergnügen für sich.

Und dann ist da noch Lisa Maria Potthoff als Kollegin der Toten, die einen Termin mit einem ziemlich speziellen Kunden (Sascha Göpel) hat. Der junge Mann ist kürzlich von Winterstein gefeuert worden und spielt mit Marcella Russisch Roulette; aber nicht im übertragenen Sinn. Die junge Frau will nach dem Tod ihrer Kollegin aussteigen, weil ihr die Arbeit "ein Loch in die Seele" brennt; jetzt droht ihr zudem ein Loch im Kopf. Dass die Prostituierte ein zwar monetäres, aber durchaus auch romantisches Verhältnis mit Hauptkommissar Erichsen (Armin Rohde) hat, macht die Sache nicht einfacher; für alle Beteiligten.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).