Versicherungsexperte: Der Klimawandel ist schon spürbar
Der Ausbau der erneuerbaren Energien könnte ein weltweites Klimaabkommen aus Expertensicht möglicherweise überflüssig machen. Fachleute rechneten damit, dass die Energie aus Wind, Sonne und anderen erneuerbaren Ressourcen schon in zehn bis zwanzig Jahren billiger sein könnte als fossile Energie wie Öl und Gas, sagte der Munich-Re-Experte Peter Höppe der Nachrichtenagentur dpa in München.
21.11.2010
Von Christine Schultze

"Wenn dieser Durchbruch durch intensive Förderung der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren geschafft wird, dann brauchen wir kein Abkommen mehr, dann macht es der Markt", so Höppe. Das bedeute aber nicht, dass man bis dahin untätig bleiben dürfe. Im Gegenteil: ein weltweit verbindliches Reduktionsabkommen müsse auf der Tagesordnung bleiben, damit gefährliche Kippeffekte beim Klima vermieden werden.

Außerdem benötigten die Entwicklungsländer dringend internationale Hilfe bei der Anpassung an den Klimawandel. Höppe reist auch zur UN-Klimakonferenz im mexikanischen Cancún, die vom 29. November bis 10. Dezember dauert. Nach dem Scheitern des Kopenhagener Gipfels vor einem Jahr sieht er dabei allerdings weiter keine Chancen auf verbindliche Ziele zur CO2-Reduktion.

Die Großmächte bremsen …

Vor allem die USA und China gelten als Blockierer eines Nachfolgeabkommens für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll. Solange die Vereinigten Staaten als historisch größter Emittent von Treibhausgasen nicht den ersten Schritt täten, sei auch kein Einlenken Chinas zu erwarten, sagte Höppe. Chinas Pro-Kopf-Ausstoß liege noch immer bei etwa einem Viertel der Pro-Kopf-Emissionen der USA, deshalb kämen Reduktionsforderungen in China nicht gut an. Zugleich dürfte die Wahlschlappe für die Demokraten um US-Präsident Barack Obama bei den Kongresswahlen die Diskussion in den Vereinigten Staaten zusätzlich bremsen, erwartet Höppe. "Auch in den nächsten zwei Jahren ist nicht abzusehen, dass es dort ein Klimaschutzgesetz geben wird", glaubt der Experte.

Ganz ohne Zuversicht für die Klimakonferenz in Cancún ist er aber nicht. So könnte es weitere Fortschritte bei den Hilfen für die Entwicklungsländer geben. Die Industrieländer hatten dafür in Kopenhagen Milliarden in Aussicht gestellt. Entsprechende Verhandlungstexte seien weit fortgeschritten, wegen der Zerwürfnisse am Ende des Kopenhagener Gipfels aber noch nicht unterzeichnet worden, sagte Höppe. Ein Bestandteil sind dabei auch versicherungsnahe Lösungen, die von der von Munich Re gegründeten Münchner Klimaversicherungs-Initiative (MCII) mit eingebracht worden waren, hier erhofft sich Höppe weitere Bewegung. Geschäftschancen für das Unternehmen stünden dabei zunächst nicht im Vordergrund.

… und die Entwicklungsländer trifft es

Generell seien die Entwicklungsländer am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen, schon weil sie in klimatisch heute schon schwierigen Regionen liegen. "Das zweite Problem ist: Sie haben einfach nicht die Mittel, sich anzupassen, das heißt Bewässerungssysteme zu installieren oder Dämme und Deiche zu bauen." Unter den Industrieländern dürften die USA die Folgen des Klimawandels mit am stärksten zu spüren bekommen, durch intensivere Wirbelstürme und Gewitter, aber auch Dürren, sagte der Experte.

In Deutschland werde es ebenfalls vermehrt zu starken Niederschlägen und Überschwemmungen wie in diesem Sommer in Sachsen kommen. "Auch Hitzewellen werden bei uns häufiger", sagte Höppe. Mit entsprechender Prävention könnten die Auswirkungen solcher Ereignisse hierzulande aber abgemildert werden. "Wenn wir geschickt agieren, können wir sicher für die nächsten 50 Jahre vermeiden, dass die Schäden ins Exorbitante steigen oder dass damit auch menschliches Leid verbunden sein muss", sagte Höppe.

"Recht eindeutige Ergebnisse"

In den vergangenen hundert Jahren habe es nur vier Jahre mit einer ähnlich intensiven Wirbelsturm-Aktivität gegeben wie 2010. Die vergleichsweise günstigen Zugbahnen der Hurrikans sorgten jedoch dafür, dass die Stürme dieses Jahr kaum auf Land trafen. Deshalb verursachten sie nur geringe Schäden. Anders war das 2005: Vor allem der Hurrikan "Katrina" hatte damals in den USA viele Menschenleben gekostet und Milliardenschäden angerichtet.

Bei der Suche nach Belegen für den Klimawandel setzen die Experten unter anderem die Häufigkeit unterschiedlicher Naturereignisse ins Verhältnis zueinander - mit recht eindeutigen Ergebnissen, wie Höppe sagt: So habe sich die Zahl schadenträchtiger Überschwemmungen seit 1980 verdreifacht und die von Stürmen verdoppelt. Dagegen nahmen schadenrelevante Erdbeben und Vulkanausbrüchen seither nur ganz leicht zu. "Deshalb denken wir, dass Veränderungen in der Atmosphäre, dem Entstehungsort der wetterbedingten Katastrophen, für diese Diskrepanz verantwortlich sind", sagte Höppe. "Das ist für uns das stärkste Indiz."

dpa