Ultraschall, Bluttest, Nackenfaltenmessung, Fruchtwasseruntersuchung: Während die schwangere Frau sich auf ihr Baby freut, verbringt sie viel Zeit in Wartezimmern und auf Untersuchungsliegen. Das Ungeborene wird durchgescannt. Der Ultraschall bringt Aufschluss über Mehrlinge, Wachstum, Geschlecht, Herzfrequenz und Fehlbildungen. Drei Ultraschall-Untersuchungen übernimmt die Krankenkasse, alle weiteren Untersuchungen müssen selbst bezahlt werden, es sei denn, sie sind medizinisch notwendig, weil ein auffälliger Befund festgestellt wurde.
Im sogenannten Ersttrimester-Test wird die Nackenfalte des Kindes per Ultraschall gemessen, das Blut der Frau untersucht ihr Alter berücksichtigt. Ein Computerprogramm errechnet daraus eine Wahrscheinlichkeit zum Beispiel für das Down-Syndrom. Der Triple-Test beinhaltet ebenfalls eine Blutuntersuchung und kann auf einen so genannten "offenen Rücken" hinweisen.
Genauere Erkenntnisse erhält der Arzt nur, wenn er Zellmaterial des Kindes untersucht. Er sticht eine Nadel durch die Bauchdecke der Frau, wodurch sich das Risiko für Fehlgeburten erhöht. Die Tests heißen Chorionzottenbiopsie, Fruchtwasseruntersuchung und Nabelschnurpunktion und bringen Aufschluss über Chromosomenabweichungen (z.B. Down-Syndrom), Muskel- und Stoffwechselerkrankungen, Blutarmut und Infektionen. Eine Übersicht über die gängigen Untersuchungsmethoden bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in einer Broschüre, in der auch aufgeführt wird, was es jeweils zu bedenken gibt.
Untersuchungen abzulehnen, erfordert von den betroffenen Frauen viel Stärke und Selbstbewusstsein, das kaum eine aufbringt, berichtet Annegret Braun, Leiterin der Beratungsstelle zu Pränatalen Untersuchungen und Aufklärung (PUA) beim Diakonischen Werk Württemberg in Stuttgart. "Die Frauen haben ja ein Vertrauensverhältnis zu dem Arzt. Sie sagen sich: ‚Was ich angeboten kriege, mach ich.'"
Ständige Sorgen
Viele Frauen haben Angst vor den Untersuchungen und lassen sich von den Ergebnissen verunsichern. Das wird in Internetforen wie bei www.gofeminin.de oder www.eltern.de deutlich: "Ich mache mir ständig Sorgen, dass es dem kleinen Krümel gut geht und ich überlege, ob ich nicht eine FU (Fruchtwasseruntersuchung) machen lassen sollte. Denn mein Partner und ich sind uns auch einig, dass wir kein behindertes Kind auf diese Welt setzen möchten. Aber mittlerweile ist mir fast das Risiko der FU zu groß. Ich bin einfach total durcheinander", beschreibt eine Frau ihre widerstreitenden Gefühle.
Eine andere hatte sich nach langem Warten über ihre Schwangerschaft sehr gefreut und berichtet nun vom Besuch beim Frauenarzt: "Er stellte eine auffällige Nackenfalte fest, sie lag bei 2,6 cm. Er machte einen Termin für mich in der Uniklinik zum Spezialisten aus. Seit dem stehe ich neben mir, kann kaum schlafen und weine ständig." Manche geben trotz schlimmster Erfahrungen nur wenig Gefühl preis: "Habe Chorionzottenbiopsie letzte Woche machen lassen, ich muss dir aber sagen, es war eine totale Fehlentscheidung. Bei der Nachuntersuchung am nächsten Tag war mein Kind tot."
Noch schwieriger wird die Situation, wenn werdende Eltern selbst über Leben oder Tod ihres ungeborenen Kindes entscheiden müssen – falls eine Behinderung oder schwere Erkrankung festgestellt wurde. Laut Strafgesetzbuch kann eine Frau nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung ein behindertes Kind straffrei abtreiben lassen. § 218a Absatz 2 lautet: "Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann."
Im Klartext: Nur wenn es wirklich keine andere Lösungsmöglichkeit gibt, kann das Kind nach der "medizinischen Indikation" abgetrieben werden, und zwar ohne zeitliche Frist. Für werdende Eltern vor einer solchen Entscheidung hat der Verein psychosoziale Aspekte der Humangenetik (VPAH) eine Broschüre mit Argumentationshilfen und praktische Informationen zusammengestellt.
Geringeres Leiden nicht erwiesen
Frauen, die nicht auf natürliche Art schwanger werden und sich mit ihrem Partner für die In-vitro-Fertilisation (IVF), also eine Zeugung im Reagenzglas entscheiden, können ihre Embryos durch die Präimplantationsdiagnostik schon vor der Einpflanzung auf genetische Veränderungen hin untersuchen lassen – zwar nicht in Deutschland, aber in anderen europäischen Ländern.
Dass diese Paare es nicht unbedingt leichter haben, zeigt das folgende Beispiel, das die Beratungsstellenleiterin Annegret Braun erzählt. Es geht um ein Paar mit einer familiären Erbbelastung, das vier fehlgeschlagene Versuche mit PID hinter sich hatte. "Der rechte Eierstock war durch die Hormonstimulation entzündlich zerstört und deshalb entfernt worden, der linke Eierstock beschädigt. Das Paar hatte schon ca. 22.000 Euro ausgegeben, und die Aussicht, nun auch auf natürlichem Wege ein Kind zu bekommen, war erschwert worden. Die beiden suchten Rat und Hilfe. Verzweifelt, voller Selbstvorwürfe und psychisch und physisch angeschlagen, waren sie hier."
Der Deutsche Ärztinnenbund argumentiert aus demselben Grund (unter anderen) gegen PID: Es sei nicht erwiesen, dass die betroffenen Frauen dadurch weniger zu leiden hätten. In einer Stellungnahme schreiben die Ärztinnen: "Die gezielte hormonelle Überstimulation des Eierstocks, die möglicherweise wiederholt werden muss, stellt für die Frau eine psychische und physische Belastung dar. Bisher ist weder durch Studiendaten belegt, dass Eltern den Prozess der IVF plus PID (...) besser verkraften, als unter Umständen wiederholte Schwangerschaftsabbrüche, noch ist nachgewiesen, dass Eltern, die beides erlebten, der PID (...) den Vorzug geben würden."
"Nach denen schauen, die Schaden nehmen"
Annette Braun weist darauf ihn, dass es problematisch ist, pränatale Diagnosemethoden (PND) mit der in Deutschland verbotenen Präimplantationsdiagnostik (PID) zu vergleichen, zieht aber in politischer Hinsicht eine Parallele: Zielrichtung der PND sei offiziell, einzelnen Frauen in Notlagen zu helfen. Die Methoden seien aber mittlerweile zu einem Screeningprogramm für alle schwangeren Frauen systematisiert worden. "Dieses System soll Menschen mit Behinderung verhindern", ist Annette Braun überzeugt, und genau darum gehe es auch bei der PID. "Diakonie und Kirche haben nach denen zu schauen und sich für die einzusetzen, die unter diesen Forschungserfolgen leiden, die Schaden nehmen und die stumm gemacht werden bzw. stumm geworden sind", sagt Annegret Braun.
Hildburg Wegener, Sprecherin des Netzwerks gegen Selektion durch Pränataldiagnostik in Frankfurt, sieht das auch so: "Es geht um Selektion, das widerspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes." Außerdem entstehe durch PID eine "neue existenzielle Situation für alle Eltern, die eine genetische Veränderung haben oder vermuten. Die stehen plötzlich vor einer Entscheidung, die sie rechtfertigen müssen." Das Netzwerk schreibt in einer Stellungnahme, dass Menschen mit Behinderung diese Selektion "als einen Angriff auf ihr Lebensrecht" erleben.
Die ethische Diskussion darüber, welches Leben als lebenswert gilt, muss in Politik, Kirche und Gesellschaft geführt werden und darf nicht allein den schwangeren Frauen oder Paaren mit Kinderwunsch überlassen bleiben. Sie sind jedenfalls oftmals überfordert mit den Methoden der Fortpflanzungsmedizin und stehen unter erheblichem psychischem und gesellschaftlichem Druck, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Frauenärztinnen und -ärzte sollten auch die seelischen Nöte der Frauen und ihrer Partner im Blick haben und an Beratungsstellen verweisen - zum Beispiel an die der Kirche.
Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft.