Verschärfte Terror-Kontrollen - Bombe nur eine Attrappe?
Deutschland muss sich wegen der Terrorbedrohung wohl für längere Zeit auf schärfere Sicherheitsmaßnahmen einstellen. Bei dem Bombenalarm vor einem deutschen Charterflug in Namibia soll es sich unterdessen nach Medienberichten nicht um einen Sprengsatz gehandelt haben.

Die wegen der Terrorbedrohung verschärften Sicherheitskontrollen in Deutschland müssen nach Polizei-Einschätzung mindestens bis zum Jahresende aufrechterhalten werden. "Die Sicherheitsbehörden stellen sich darauf ein, dass der Ausnahmezustand mindestens bis zum Jahresende anhält", sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag). Für Dezember geplante Urlaube und freie Tage seien Polizisten vielerorts bereits gestrichen worden.

Nach Ansicht des Chefs der Bundespolizei, Matthias Seeger, ist die Anschlagsgefahr derzeit größer als je zuvor. "Auf einer Skala von 1 - keine Gefahr - bis 10 - akute Anschlagsgefahr - liegen wir im Moment bei 9,0", sagte er der "Bild"-Zeitung (Freitagsausgabe).

Unterdessen berichteten das ZDF und der US-Sender CNN, dass das vor einem Air-Berlin-Flug nach Deutschland in Namibia gefundene verdächtige Gepäckstück keinen Sprengsatz enthalten habe. Es handelte sich offensichtlich um eine Art Testlauf mit einem Dummy einer Behörde, berichtete das "heute journal" am Donnerstagabend unter Berufung auf US-Sicherheitsbeamte. Wie CNN meldete, habe auch Air Berlin bestätigt, dass die verdächtige Computertasche keinen Sprengstoff enthielt. Wegen des Bombenverdachts war die Maschine von Windhuk nach München mehrfach kontrolliert worden und mit Stunden Verspätung abgeflogen.

600 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich im ZDF zurückhaltend zu dem Gepäckstück. Befragt nach Angaben, wonach es sich um eine Sprengsatz-Attrappe handelt, wie sie die Amerikaner zu Testzwecken benutzen, sagte der Minister, er wolle auf die Auskünfte seiner Sicherheitsexperten warten. Das Bundeskriminalamt hat Experten nach Namibia entsandt.

Vor dem Hintergrund der gestiegenen Terrorgefahr will die schwarz- gelbe Koalition die Sicherheitsbehörden mit 600 neuen Stellen verstärken. FDP-Haushalts- und Innenexperte Florian Toncar sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Die Koalition will im nächsten Jahr unter dem Strich 600 zusätzliche Stellen bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zoll schaffen." Er gehe davon aus, dass das Gros für die Bundespolizei eingesetzt werde. Bislang hatte die Bundesregierung die Streichung von bis zu 1000 Stellen bei der Bundespolizei in den kommenden vier Jahren geplant.

Die Innenminister von Bund und Ländern setzen am heutigen Freitag ihre Herbstkonferenz in Hamburg fort, bei der neben der aktuellen Terrorbedrohung der Streit um die Vorratsdatenspeicherung ein zentrales Thema ist.

Neue Gesetze abgelehnt

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger lehnt neue Sicherheitsgesetze vor dem Hintergrund der aktuellen Terrorwarnungen ab. "Man darf diese schwierige Sicherheitslage und die Terrordrohungen jetzt nicht politisch instrumentalisieren", sagte die FDP-Politikerin in der "Passauer Neuen Presse" (Freitag). De Maizière hatte sich zuvor ähnlich geäußert.

Die Justizministerin sagte, Polizei und Sicherheitsbehörden müssten Präsenz zeigen, und der Schutz möglicher Angriffsziele müsse auf der Grundlage der geltenden Gesetze erhöht werden. Sie widersprach Warnungen vor Schutzlücken. Forderungen nach Wiedereinführung der pauschalen Vorratsdatenspeicherung lehnte sie erneut ab.

Unterstützung erhielt Leutheusser-Schnarrenberger vom Vorsitzenden der Justizministerkonferenz, Hamburgs Ressortchef Till Steffen (Grüne). Er sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag): "Es ist unredlich, die aktuelle Terrorwarnung dafür zu missbrauchen, neue Sicherheitsgesetze wie die Vorratsdatenspeicherung zu fordern."

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitag) ebenfalls: "Das ist jetzt nicht die Stunde für gesetzgeberischen Aktionismus." Das ist jetzt die Stunde der Exekutive und der Sicherheitsbehörden." Der stellvertretende innenpolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, sprach sich für Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung aus. Er sagte der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" (Freitag): "Man muss unseren Sicherheitsbehörden unter strengen rechtsstaatlichen Auflagen die Möglichkeit geben, zur Verbrechensbekämpfung auf gespeicherte Internet-Adressen zuzugreifen."

dpa