"Ich bin wirklich sehr stolz, dass ich das machen darf", sagt Prinz Jörg Joachim I. Normalerweise arbeitet der 22-Jährige in einer Behindertenwerkstatt. Nun wartet die ganz große Öffentlichkeit auf ihn. Er wird in der gerade beginnenden Saison die Narren Göttingens repräsentieren, er wird den Einwohnern zuwinken und beim Faschingsumzug Kamellen schmeißen.
Seit seiner Kindheit träume er von dieser Prinzenrolle. "Ich komme aus einer völlig karnevalsverrückten Familie, da geht das nicht anders." Und die Behinderung? "Der Rollstuhl ist doch überhaupt kein Problem", sagt der Prinz. Es sei nicht einmal richtig ein Thema gewesen. Für alles, was er nicht könne, habe ein Prinz schließlich einen Adjutanten.
Auch Jungs Verein, die Göttinger "Szültenbürger Karnevalsgesellschaft Schwarz-Gold von 1948", sieht in einem Rollstuhl fahrenden Prinzen Normalität. "Der Prinz ist Karnevalist durch und durch, warum soll er es dann nicht machen?", fragt die Präsidentin der Proklamationssitzung, Renate Wallbrecht. Jung fühle sich im Verein wohl und ist von den Mitgliedern gewählt worden.
Besondere Rolle im Rollstuhl
Behinderte Karnevalsprinzen sind gleichwohl noch immer selten, weiß auch Wallbrecht. In Jülich gab es mal einen mit Down-Syndrom, vor vielen Jahren soll es auch einen behinderten Prinzen in Köln gegeben haben. "In Niedersachsen ist er sicherlich der Erste", sagt die Sitzungspräsidentin stolz. "Unsere Sozialdezernentin Dagmar Schlapheit-Beck war ganz begeistert."
Obwohl er als Rollstuhlfahrer im Göttinger Karneval gut integriert ist, ist sich Jörg Joachim I. seiner besonderen Rolle als Behinderter bewusst. "Klar bin ich ein Vorbild", sagt der Prinz. Er wolle anderen Behinderten als Beispiel dienen. Auch Rollstuhlfahrer könnten es schaffen, die öffentliche Aufgabe eines Karnevalsprinzen zu übernehmen.
Behinderte nicht ausgrenzen
Wie Jung hofft auch sein Karnevalsverein, mit der Proklamation des Rollstuhlfahrers einen Beitrag zur besseren Integration von Behinderten zu leisten. Prinz Jörg Joachim I. zeige, dass jeder etwas aus sich machen könne, sagt Sitzungspräsidentin Wallbrecht. "Behinderte haben die gleichen Rechte wie andere auch." Man solle sich deshalb keine Dünkel leisten und Menschen wegen einer Beeinträchtigung ausgrenzen. Schließlich gebe es keine Menschen zweiter Klasse, sagt sie.
Jörg Joachim I. wird nun knapp vier Monate seine repräsentativen Aufgaben wahrnehmen, bis er schließlich am Faschingsdienstag nach Göttinger Karnevalistenbrauch rituell beerdigt wird. "Dann bin ich tot", sagt Jung. Bis dahin hofft er, nicht nur viel Spaß zu haben, sondern auch vielen Behinderten Mut zu machen.