Muslimisches Opferfest: "Tebrikler" heißt Glückwunsch
Von heute bis Freitag werden sich Millionen Muslime in Deutschland und aller Welt verbunden fühlen mit hunderttausenden von weißgewandeten Pilgern in der heiligen Stadt Mekka. Sie alle feiern das höchste Fest des Islam: das Opferfest. Und sie tun es – ob in Mekka, Marrakesch oder Mannheim – durch die rituelle Schlachtung eines Schafs. Ein Blick auf deutschtürkische Festtraditionen.
15.11.2010
Von Martin Rothe

Das Zuckerfest am Ende des Fastenmonats Ramadan ist inzwischen auch vielen Nichtmuslimen ein Begriff. Noch höheren Rang hat das Opferfest im Monat der Mekka-Pilgerfahrt. Auf Arabisch heißt das Fest "Id al-Adha", auf Türkisch "Kurban Bayrami". In diesem Jahr beginnt es heute und dauert bis Freitag.

Erkan Elçi aus Frankenthal bei Mannheim, freut sich vor allem darauf, dass in diesen Tagen er in diesen Tagen mit der ganzen Familie, vielen Freunden und Bekannten zusammenkommt: "Wir gehen uns gegenseitig besuchen und gratulieren einander zum Fest. Für die Kinder gibt es dabei kleine Geschenke", berichtet der 34-jährige Vater eines Sohnes und einer Tochter. "Wichtig ist auch, dass sich alle, die sich vorher verkracht haben, an den Festtagen wieder versöhnen."

Im Auftrag Gottes

Besonders bewegend ist für Erkan Elçi jedes Mal, dass durch die überall gleichen Festrituale eine weltweite Gemeinschaft der Muslime entsteht. Den Auftakt bildet ein feierliches Gebet am Dienstagmorgen, zu dem sich die Männer der muslimischen Familien in der Moschee einfinden. "Dazu nimmt jeder die schönsten Kleider, die er im Schrank hat", so Elçi.

Nach dem Gebet opfern die muslimischen Familien, sofern sie fianziell dazu in der Lage sind, ein Schaf oder eine Ziege. Damit gedenken sie des Opfers Abrahams (arabisch: Ibrahim). Dieser gilt für Muslime wie für Christen und Juden als Vorbild für bedingungsloses Gottvertrauen. Er soll sogar bereit gewesen sein, seinen Sohn zu opfern.

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An dessen Stelle trat dann aber auf Gottes Geheiß hin ein Schaf. So die Erzählung in Bibel und Koran. "Das ist zugleich eine Ermahnung an die Menschheit, dass Gott Menschenopfer für alle Zeit verboten hat", erklärt der Theologe und Pädagoge Ya?ar Bezgin (33), Imam der VIKZ-Moschee in Frankenthal. Das Schlachtopfer zum Fest habe zugleich einen sozialen Zweck, so Imam Bezgin: "Für viele Menschen auf der Welt sind Fleischgerichte keine Selbstverständlichkeit. Indem wohlhabende Muslime Ärmeren von ihrem Opferfleisch abgeben, danken sie Gott für seine guten Gaben."

Deutschlands Schlachthöfe kooperieren

Durch die rituelle Schlachtung des Opfertieres sind die Muslime in aller Welt auch mit jenen Glaubensgenossen verbunden, die in diesem Monat nach Mekka gepilgert sind. Die Schlachtung eines Schafs am Ort Mina bei Mekka ist Teil des umfangreichen Wallfahrtsrituals. In Deutschland ermöglichen es Schlachthöfe an diesem Festtag den interessierten muslimischen Familien, sich ein Opfertier auszusuchen und schlachten zu lassen. Allerdings dürfen die Tiere hierzulande nicht geschächtet werden, sondern sie werden vor dem Schlachten per Elektroschock betäubt. Ein anwesender Veterinär achtet auf die Einhaltung der Regeln.

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Mit dem eingetüteten Frischfleisch geht es dann in die heimische Küche. Ein Teil davon wird gleich zubereitet – und zu einem verspäteten Festfrühstück im Kreise der Familie serviert. Etwa 80 Prozent des Fleisches werde ärmeren Leuten gespendet, berichtet Erkan Elçi, der das Schlachtritual schon oft miterlebt hat. Dieses Jahr werde seine Familie aber nicht selbst opfern: "Schließlich gibt es hier in Deutschland gar nicht so viele arme Leute, denen man von dem Essen abgeben müsste", sagt der Pfälzer. Er habe stattdessen Geld nach Afrika gespendet. "Die Schlachtung macht unsere Großfamilie hier nur alle paar Jahre, damit unsere Kinder einen Bezug zur Tradition bekommen."

Dreitägiger Besuchsmarathon

Den ersten Tag des Festes verbringen traditionsbewusste Deutschtürken daheim im Familienkreis. Doch am zweiten Tag beginnt eine dreitägige Völkerwanderung: "Meine Frau, ich und die Kinder besuchen alle möglichen älteren Leute in der Region – Verwandte, Freunde, Bekannte – um ihnen Respekt zu erweisen", sagt Erkan Elçi. Man bleibe zwar überall nur kurz, aber alles in allem sei es ein Marathon des Teetrinkens und Gebäck-Knabberns. Auch Christen und andere Nichtmuslime können ihre Nachbarn zu den Festtagen beglückwünschen. Wer es auf Türkisch versuchen will, kommt weiter mit: "Bayramin kutlu olsun!" Oder kurz: "Tebrikler!" – "Glückwunsch!"


Martin Rothe ist freier Journalist, hat unter anderem Religionsgeschichte studiert und die Evangelische Journalistenschule in Berlin absolviert. Seine Schwerpunktthemen sind Islam, Integration und Kirche.