Bis zu 200.000 Menschen könnten in Haiti nach Schätzungen der Vereinten Nationen an der Cholera erkranken. Diese Vorhersage gründe sich auf die Arbeit von Hilfsorganisationen vor Ort, teilte die Sprecherin der UN-Agentur für humanitäre Aufgaben (OCHA), Elisabeth Byrs, am Freitag in Genf mit. Etwa 164 Millionen Dollar (120 Millionen Euro) würden zur Hilfe dringend benötigt.
Zehn Monate nach dem verheerenden Erdbeben am 12. Januar steht Haiti damit vor einer neuen Katastrophe. Nach Angaben des Amerikanischen Zentrums zur Seuchenkontrolle (CDC) starben seit dem Ausbruch der Epidemie am 19. Oktober bereits etwa 800 Menschen. Schon über 11 000 Infizierte seien in diesem Zeitraum registriert worden. In der Hauptstadt Port-au-Prince soll die Cholera inzwischen etwa zehn Menschen getötet haben. Die Behörden hätten jetzt beschlossen, die Leichen zu verbrennen, um die Ansteckungsgefahr zu verhindern.
Schlangen vor den Krankenhäusern
"Die Lage verschlechtert sich von Tag zu Tag", sagte der CDC- Experte Ezra Barzilay, wie der Sender Radio Metropole am Freitag berichtete. "Die Haitianer bilden Schlangen vor den Krankenhäusern. Dort gibt es keine freien Betten mehr, weil die Hospitäler überfüllt sind." Auch die in Haiti tätigen Hilfsorganisationen fühlen sich von der Epidemie zunehmend überfordert und sind beunruhigt. "Während Teams von Ärzte ohne Grenzen in der ganzen Stadt die Einrichtungen auf 1000 Betten aufstocken, sind unsere Ärzte und die öffentlichen medizinischen Einrichtungen bereits von der Anzahl der Fälle überwältigt", berichtete die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) am Freitag. "Wir sehen siebenmal so viele Fälle wie wir drei Tage zuvor insgesamt hatten."
Auch die deutsche Welthungerhilfe bezeichnete die Lage als dramatisch. Sie kündigte am Freitag an, ihre Hilfe zur Bekämpfung der Cholera vor allem in den ländlichen Gebieten noch auszuweiten. «An allen Projektstandorten im Nordosten und Nordwesten des Landes erhalten die lokalen medizinischen Stationen Notfallpakete, teilte die WHH in Bonn weiter mit. Darin enthalten seien Wasserkanister, Tabletten gegen Dehydrierung, Seifen, Wasserbeutel und Desinfektionstabletten.
Besonderes Augenmerk auf Kinder
Die Hilfsorganisationen setzen weiterhin auf Prävention und Aufklärung. So konzentriert sich das Hilfswerk Plan International vor allem auf die Verbreitung von Wissen über die Cholera, ihre Symptome und lebensrettende Maßnahmen auch bei bei den Kindern. "Den Kindern gilt unser besonderes Augenmerk, da sie sich schnell mit Cholera infizieren können", berichtete Plan International. Auch die Hilfsorganisation "Save the Children" hatte in den vergangenen Tagen auf die bedrohliche Lage der Kinder in Haiti aufmerksam gemacht.