Bundestag beschließt Gesundheitsreform
Der Bundestag hat die Gesundheitsreform verabschiedet. Nach dem Willen von Union und FDP steigen die Beiträge der gesetzlich Krankenversicherten zu Beginn des kommenden Jahres von 14,9 auf 15,5 Prozent.

Die abschließende Beratung am Freitag im Bundestag geriet zu einem Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition über die Zukunft des Gesundheitswesens und die Gerechtigkeit der Reform. Sie soll die Krankenversicherungen um rund elf Milliarden Euro pro Jahr entlasten. Die Opposition stimmte geschlossen gegen das Gesetz.

Die Arbeitgeberbeiträge werden auf dem Niveau von 7,3 Prozentpunkten eingefroren und sollen künftig nicht mehr steigen. Auf die Arbeitnehmer, die schon seit mehreren Jahren einen höheren Anteil zahlen, kommen außerdem Zusatzbeiträge zu. Die Bundesregierung rechnet damit ab 2012. Aus Sicht der Opposition ist dies der Einstieg in eine sozial ungerechte Kopfpauschale, die Geringverdiener und Rentner am stärksten belastet. Die Koalition will mit der Entlastung der Arbeitgeber die Lohnzusatzkosten stabil halten.

Defizit von neun Milliarden Euro

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) erklärte, "das ist unser Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung". Gesundheit und Arbeit dürften nicht länger gegeneinander ausgespielt werden. Rösler betonte, die Koalition wende ein Defizit von rund neun Milliarden Euro im kommenden Jahr ab. Zugleich schaffe sie den Einstieg in ein System mit mehr Wettbewerb und mehr Solidarität. Für Geringverdiener werde ein Sozialausgleich eingeführt, der gerechter sei als die heutigen Zusatzbeiträge, sagte Rösler. Die Opposition habe keine Konzepte. Sie wolle "nur tiefer in den Sumpf der Planwirtschaft".

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), warf der Opposition vor, die Realität zu verkennen: "Die Kosten im Gesundheitswesen steigen, egal wie wir sie finanzieren", sagte er. Wenn die Regierung nichts unternehme, müssten im kommenden Jahr selbst große Krankenkassen in die Insolvenz gehen. Alle würden zum Sparen verpflichtet, Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und die Pharmaunternehmen.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf der Koalition vor, die Spaltung des Landes zu vertiefen. Die Reform sei ein Experiment mit 70 Millionen gesetzlich Versicherten und ihrer Gesundheit. Sie würden immer näher an das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung herangeführt. Rösler verdiene den Namen Gesundheitsminister nicht länger: "Sie sind der Cheflobbyist der letzten vier Prozent Spitzenverdiener, die noch treu zur FDP stehen", sagte sie. Mehr Netto gebe es nach der Gesundheitsreform nur für sie. Patienten, Rentner und Geringverdiener würden über die Vorkasse und Zusatzbeiträge abkassiert. Der Sozialausgleich ändere daran nichts.

Drei-Klassen-Medizin

Auch der Chef der Linksfraktion, Gregor Gysi, warf der Koalition vor, eine Drei-Klassen-Medizin einzuführen. Wer es sich leisten könne, auf Vorkasse zum Arzt zu gehen, stehe künftig besser da als einfache Kassenpatienten, sagte er. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender, warf der Regierung vor, nichts dafür zu tun, die Finanzierung des Gesundheitswesens gerechter zu machen. Vielmehr begünstige sie die Privatversicherungen und führe einen Sozialausgleich ein, der weder gerecht, noch auf lange Sicht finanzierbar sei.

Neben den Beitragserhöhungen sieht die Gesundheitsreform vor, dass der Wechsel zu Privatversicherungen erleichtert und die Vorkasse gestärkt wird, bei der die Ärzte höhere Honorare abrechnen können. Patienten zahlen dann die Rechnung selbst und erhalten im Durchschnitt die Hälfte der Summe von der Krankenkasse zurück. Die Ausgabensteigerungen bei Krankenhäusern, Ärzten und Krankenversicherungen werden zwei Jahre lang gebremst. Das Arzneimittel-Spargesetz, das weitere Milliardeneinsparungen erbringen soll, war bereits am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet worden.

epd