Überwiegende Zustimmung zu Reform der Sicherungsverwahrung
Die geplante Reform der Sicherungsverwahrung stößt bei Experten weitgehend auf Zustimmung. Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags am Mittwoch in Berlin meldeten allerdings einige Sachverständige Bedenken gegenüber dem Entwurf des Therapie-Unterbringungsgesetzes an. Einig waren sich die Rechtsexperten darüber, dass die Sicherungsverwahrung generell nur selten und als letztes Mittel eingesetzt werden sollte.

Derzeit werden zwei Gesetze im Parlament beraten. Die Reform der Sicherungsverwahrung sieht vor, diese Form des Freiheitsentzugs auf schwere Verbrechen wie Sexualdelikte und Gewalttaten sowie Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren zu beschränken. Die sogenannte vorbehaltene Sicherungsverwahrung wird ausgebaut und künftig auch bei Ersttätern anwendbar sein. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung soll damit obsolet und nur noch in sehr wenigen Fällen angewandt werden. Zudem wird auch an der Möglichkeit festgehalten, freigelassene Täter mit elektronischen Fußfesseln zu überwachen.

Daneben befindet sich das "Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter" in der parlamentarischen Beratung. Die neue Sicherungsunterbringung soll für die derzeit rund 500 Sicherungsverwahrten gelten. Wenn ein psychische Störung vorliegt, die die weitere Gefährlichkeit des Täters bewirkt, soll derjenige in einer geschlossenen Einrichtung mit einer Therapie auf seine Freilassung vorbereitet werden.

In der Anhörung wies der Leitende Oberstaatsanwalt aus Osnabrück, Andreas Heuer, darauf hin, dass sich nur 0,07 Prozent der Menschen in Strafhaft in Sicherungsverwahrung befinden. Das zeige, dass die Gerichte zurückhaltend mit diesem Instrument umgingen. Heuer begrüßte den geplanten Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Auch mit dem Therapie-Unterbringungsgesetz könnten die strafrechtliche Praktiker leben.

Sicherungsverwahrung vs. Menschenrechtskonvention

Zu einer ganz anderen Einschätzung kam der Strafrechtsprofessor aus Tübingen, Jörg Kinzig. Das Unterbringungsgesetz widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention. Er müsse davon dringend abraten. Kinzig plädierte dafür, die Sicherungsverwahrung ausschließlich auf Gewalt -und Sexualdelikte zu beschränken. Zudem befürchte er, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung zu weit gefasst sei. "Die Sicherungsverwahrung ist die fragwürdigste Sanktion des Strafrechts und sollte die ultima ratio bleiben", sagte der Strafrechtler.

Der Strafrechtsprofessor aus Halle-Wittenberg, Joachim Renzikowski, schloss sich der Kritik an. Der Entwurf sei nicht konsequent, weil die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht völlig abgeschafft werde. Das Unterbringungsgesetz "wirft erhebliche Bedenken auf", sagte Renzikowski.

Norbert Leygraf, Professor für Forensische Psychiatrie an der Universität Duisburg-Essen, äußerte sich ebenfalls sehr kritisch zum Unterbringungsgesetz. Damit würden psychisch Gestörte wie früher wieder separat untergebracht, so dass die Gefahr einer Stigmatisierung bestehe. Die Psychiatrie werde damit als "Ersatzreserve für das Strafrecht" genutzt.

Täterkreis einschränken

Als "sachgerechten Kompromiss" bewertete Henning Radtke, Strafrechtsprofessor in Hannover, die Reform der Sicherungsverwahrung. Es sei richtig, den Täterkreis einzuschränken. Skeptisch äußerte sich Radtke zum Unterbringungsgesetz, weil aus seiner Erfahrung nicht abzuschätzen sei, inwieweit überhaupt Personen unter dieses Gesetz fallen.

epd