Sie haben schon die Anschläge vom 11. September im Comic dargestellt. Auch Amerikas "Krieg gegen den Terrorismus" und die Biografie von Che Guevara haben Sid Jacobson und Ernie Colón zu Büchern aus Zeichnungen und Sprechblasen verarbeitet. An diesem Mittwoch (10.11.) erscheint ihr jüngstes Werk auf Deutsch. "Anne Frank - Eine grafische Biografie" ist die Geschichte des Lebens und Sterbens des weltbekannten jüdischen Mädchens. Der Holocaust mit den Stilmitteln des Comics - die Frage, ob man das darf und ob es sinnvoll ist, beantwortet die Anne-Frank-Stiftung in Amsterdam mit einem klaren "Ja".
"Szenen im Konzentrationslager zeichnen war hart"
Graphic Novels nennt die Verlagsbranche die immer populärer werdenden gezeichneten Romane, um sie von gewöhnlichen Comic-Heften abzuheben. Dass sie selbst für so ernste Themen wie den Nazi-Terror geeignet sein können, wird durch Annes "grafische Biografie" einmal mehr bestätigt. Ihre Arbeit im Auftrag der Anne-Frank-Stiftung, berichteten die beiden amerikanischen Comic-Veteranen, habe sie emotional sehr mitgenommen.
"Als ich las, dass Anne 1929 geboren wurde, war das eine beängstigende Sache für mich", sagte der 81-jährige Jacobson der "USA Today". "Ich musste immer daran denken, dass sie heute genauso alt wäre wie ich und dass diesem jungen Mädchen das Leben verwehrt wurde, das ich haben konnte", schilderte Jacobson. Auch Colón (Jahrgang 1931) sei "innerlich tief bewegt gewesen, besonders als er die Szenen im Konzentrationslager zeichnete, das war hart für ihn".
Mit einer Bildergeschichte über die Nazi-Verbrechen hatte die Stiftung bereits vor zwei Jahren ein Experiment gewagt: Schulklassen in den Niederlanden sowie in Berlin und Nordrhein-Westfalen behandelten das Comic-Buch "Die Suche" des holländischen Zeichners Eric Heuvel über das Schicksal einer jüdischen Familie, die in ein Vernichtungslager deportiert wurde. Das war ein Durchbruch für den "pädagogischen Comic" zur Vermittlung von Wissen über den Holocaust.
"Zeigen, was für eine bemerkenswerte junge Frau sie war"
Daran knüpfte die Stiftung an, als sie Jacobson und Colón für die Comic-Biografie von Anne Frank unter Vertrag nahm. Abgesehen von Annes Tagebuch nutzten sie Briefe, Dokumente und Fotos. Sie wollten auch visuell so historisch akkurat wie möglich sein. Bis hin zur Kleidung der Familie, der Möblierung des Hinterhauses, in dem sich die Franks verbargen, den Nazi-Uniformen und auch den Baracken im Konzentrationslager Bergen-Belsen, in dem Anne kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges mit 15 Jahren völlig entkräftet starb.
Vor allem aber, sagte Jacobson, wollten sie "Annes Persönlichkeit zeigen, was für eine bemerkenswerte junge Frau sie war". Das ist in klaren und eingängigen Bildern und unaufgeregten, verständlichen Sprechblasen-Texten gut gelungen. Die Szenen in Bergen-Belsen sind zurückhaltend gezeichnet und machen vielleicht gerade dadurch das ganze Grauen fassbar.
Mit eingeschobenen Collagen vermittelt das Buch übersichtlich Hintergrundwissen zu politischen und militärischen Ereignissen und zur Entwicklung der Judenverfolgung im Hitler-Reich, von den Rassengesetzen bis zu den Vernichtungslagern. Annes Comic-Biografie, sagte Jacobson stolz, "ist die Krönung unserer Karrieren".