"Die Nachrichten", 9. November, 20.15 Uhr auf 3sat
Er ist ein Mann ohne Eigenschaften, ein Chamäleon: angepasst bis zur Selbstaufgabe. Ein Wendehals im Wortsinne: Jan Landers hat’s geschafft. In der sorgfältigen Verkörperung von Jan Josef Liefers erinnert der Ostberliner, der nach der „Wende“ im Westen als Nachrichtenvorleser Karriere gemacht hat, an den TV-Moderator Kai Pflaume: Der Ossi ist mehr Wessi als die meisten Wessis. Das ist wichtig, auch heute noch. Die Handlung träg sich zwar Mitte der Neunziger zu, doch die mehrfach geäußerte Überraschung der Menschen über Landers’ Herkunft war vor fünf Jahren, als Matti Geschonneck Alexander Osangs ausgezeichneten Medienroman verfilmt hat, nach wie vor aktuell; und vermutlich hat sich daran nichts geändert.
Osang selbst hat das Drehbuch geschrieben. Auf diese Weise war garantiert, dass der satirische Charakter des Buches erhalten bleiben würde. Auf seine Weise ist „Die Nachrichten“ ein weitaus bitterer Nachruf auf die DDR als „Good Bye Lenin!“: Buch und Film zeigen, wie fragil eine scheinbar sicheres Fundament sein kann, wenn üble Nachrede und Gerüchte ins Spiel kommen. Ins Rollen wird die Sache ausgerechnet vom „Spiegel“ gebracht, Osangs Arbeitgeber: Die ehrgeizige Reporterin Doris Theyssen (Dagmar Manzel), auch sie ex-Ossi, soll einen Bericht über erfolgreiche Ostdeutsche schreiben. Eher routinemäßig erkundigt sie sich bei der „Gauckbehörde“ nach einer möglichen Stasi-Akte von Landers. Tatsächlich findet sich sogar ein Hinweis darauf, er habe als „IM“, als informeller Mitarbeiter für die Stasi gearbeitet. Prompt fällt er aus allen Wolken, denn er hält sich für unschuldig; die Nachrichten darf er vorerst trotzdem nicht mehr vorlesen.
Selbstredend traut man dem Windhund auch eine Vergangenheit als Stasi-Spitzel zu, doch Osang konzentriert sich gerade im Film auf einen anderen Konflikt: Plötzlich wetteifern die „Spiegel“-Journalistin und der abgehalfterte Redakteur eines neubrandenburgischen Regionalblatts (Uwe Kockisch) um die Super-Story. Dass es dabei um einen Menschen geht, der zwangsläufig auf der Strecke bleiben muss, ist beiden egal. Und doch kostet die Affäre am Ende einen ganz anderen das Leben.
Schon allein wegen der Darsteller ist der Film sehenswert, zumal praktisch jede Sprechrolle prominent besetzt worden ist (Henry Hübchen, Herbert Feuerstein, Udo Samel, Thomas Thieme). Vor allem aber ist die Geschichte eine intelligente Gesellschaftsanalyse, die Geschonneck zudem ganz ohne seinen sonstigen Hang zu Düsternis umsetzt.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).